Spahns neue Corona-Maßnahmen: Gesetz für die National-Epidemie
Der Bund soll den Ländern sagen können, was sie in der Coronakrise zu tun haben. Auch eine Handy-Ortung von Kontaktpersonen war geplant.
Das Infektionsschutzgesetz ist das zentrale Gesetz zur Bekämpfung der Coronavirus-Epidemie. Fast alle Maßnahmen der Behörden stützen sich bisher auf dieses Gesetz. Es ist ein Bundesgesetz, das aber von den Ländern ausgeführt wird.
Spahn hat nun einen Gesetzentwurf vorgelegt, der am Montag im Kabinett und am Mittwoch im Bundestag beschlossen werden soll. Er umfasst 23 Seiten und liegt der taz vor.
Alle neuen Befugnisse setzen eine „epidemische Lage nationaler Tragweite“ voraus. Diese National-Epidemie muss von der Bundesregierung festgestellt werden – und soll sich von einer normalen Epidemie in der Wucht unterscheiden und deshalb neue Befugnisse des Bundes erfordern.
Der Gesetzentwurf zählt vor allem Maßnahmen auf, mit denen die Leistungsfähigkeit der Gesundheitsversorgung gesichert werden kann. So würde das Gesundheitsministerium ermächtigt, per Rechtsverordnung „Ärztinnen, Ärzte, Angehörige von Gesundheitsfachberufen und Medizinstudierende zu verpflichten, bei der Bekämpfung übertragbarer Krankheiten mitzuwirken“.
Die FAZ fasst Spahns Gesetzentwurf als „Entmachtung der Länder“ zusammen. Das ist aber etwas übertrieben. Denn die neuen staatlichen Möglichkeiten gab es bisher noch gar nicht, sie wurden den Ländern also nicht weggenommen. Die bisherigen Befugnisse der Länder bleiben auch bestehen, sie können weiterhin alle „notwendigen Schutzmaßnahmen“ anordnen, also zum Beispiel Infizierte in Quarantäne stecken, Schulen und Restaurants schließen.
Allerdings soll die Bundesregierung hier künftig den Ländern „Einzelweisungen“ erteilen können. Der Bund könnte so etwa verhindern, dass einzelne Länder durch ihren Leichtsinn die Maßnahmen anderer Länder gefährden. Der Bund könnte das Instrument aber auch nutzen, um in einer Einzelfrage alle Länder auf eine Linie zu bringen. Spahn nennt im Gesetzentwurf keine konkreten Beispiele.
Wegen dieser Weisungsmöglichkeit ist für das Gesetz, falls es am Mittwoch im Bundestag beschlossen wird, auch die Zustimmung des Bundesrats erforderlich. Der Bundesrat hat für Freitag dieser Woche eine Sondersitzung anberaumt, um die vielen zu erwartenden Corona-Gesetze sofort behandeln zu können.
In den sozialen Netzwerken hatte ein Punkt von Spahns Vorschlag für große Empörung gesorgt, der nichts mit dem Bund-Länder-Verhältnis zu tun hat. So sollten mit Hilfe von Handyortung im Fall einer nationalen Epidemie auch Kontaktpersonen von Kranken identifiziert und lokalisiert werden. Die Gesundheitsbehörden hätten die Befugnis erhalten, von Telekom-Dienstleistern die entsprechenden Verkehrsdaten zu verlangen.
Bayern plant eigenes Gesetz
Wegen der Proteste hat Spahn den Punkt am Sonntagnachmittag wieder aus dem Gesetzentwurf gestrichen. Der Vorschlag ist aber nicht vom Tisch, sondern soll mit mehr Ruhe später wieder aufgegriffen werden. Dann wäre auch zu klären, wie das „Tracking“ konkret funktionieren würde. Denn der Telefon-Provider weiß nur, in welche Funkzelle sich ein Mobilfunknutzer eingeloggt hat. Da sich in einer Funkzelle aber Tausende Personen befinden und solche Funkzellen oft quadratkilometergroß sind, lassen sich so eigentlich keine konkreten „Kontaktpersonen“ identifizieren.
Parallel zum Gesetzentwurf von Spahn plant Bayern ein eigenes Infektionsschutzgesetz. Im Fall eines „Gesundheitsnotstands“ könnte der Staat dann Mediziner zwangsverpflichten und medizinische Materialien beschlagnahmen. Das bayerische Gesetz soll an diesem Mittwoch im Münchener Landtag beschlossen werden. Wenn es nun aber im Bundes-Infektionsschutzgesetz ganz ähnliche Regelungen gibt, dürfte Bayern seine Gesetzgebungskompetenz verlieren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Prognose zu Zielen für Verkehrswende
2030 werden vier Millionen E-Autos fehlen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Fußball WM 2030 und 2034
Der Profit bleibt am Ball