Spahns Maskenaffäre: Erfolgreich versenkt
Der SPD fehlt es an Mumm, um Ermittlungen gegen Jens Spahns Maskenbestellungen einzuleiten. Das wirft ein schlechtes Licht auf die Sozialdemokraten.

D er lange als „Verschlusssache“ eingestufte Bericht zur Maskenbeschaffung von Ex-Gesundheitsminister Jens Spahn ist öffentlich. Aber ist die Öffentlichkeit jetzt schlauer? Wohl kaum. Denn ganze Seiten des Berichts sind geschwärzt, genauso wie Quellenverweise und Namen.
Außerdem steht weiter im Raum, ob Spahn rein aus grandioser Selbstüberschätzung heraus handelte oder auch Parteifreunde bedachte. Ob er sich gar selbst bereicherte, als er in den ersten acht Pandemiewochen Steuergelder in Höhe von fast 6 Milliarden Euro für Masken verpulverte. Für Milliarden Masken, von denen letztendlich nur ein Drittel verteilt wurde.
Die Hintergründe werden wohl nie aufgeklärt werden. Dazu müsste der Bericht ungeschwärzt vorliegen. Zudem müsste das Parlament dafür einen Untersuchungsausschuss einrichten. Doch das scheint angesichts der Mehrheitsverhältnisse im Bundestag unwahrscheinlich. Die Regierungsparteien Union und SPD werden es blockieren.
Die linksgrüne Opposition ist zu klein und kommt nicht auf die nötigen 25 Prozent der Stimmen, die für das Einleiten solcher Untersuchungen nötig wären. Es ginge nur mit Beteiligung der AfD, die dann aber ihr eigenes Süppchen aus der Affäre kochen würde. Die schwarz-rote Koalition hat sich derweil auf eine Enquete-Kommission zur Aufarbeitung von Corona geeinigt. Klingt gewichtig, ist aber vor allem Verschleierungstaktik.
Enquete-Kommissionen ermitteln nicht strafrechtlich
Eine Enquete-Kommission reflektiert vorhandenes Wissen, um Lehren für die Zukunft zu ziehen. Sie ermittelt aber nicht und befragt keine Zeugen – wie es ein Untersuchungsausschuss tun würde. Spahns Maskenkäufe dürften dort eine marginale Rolle einnehmen. Es wird um „große“ Fragen gehen, wie die Folgen der Schulschließungen oder die Debatte um die Impfpflicht.
Das Thema „Masken“ wird von Union und SPD gerade erfolgreich versenkt. Spahn kann also weiter ruhig schlafen. Und im Verbund mit seiner Fraktion und CDU-Gesundheitsministerin Nina Warken munter gegen Sonderermittlerin Margaretha Sudhof wettern, die den Bericht verfasste. Der Bericht sei politisch motiviert, wirft man ihr vor.
Die SPD schaut schweigend zu und verhält sich nicht nur unterwürfig, sondern auch empörend unsolidarisch. Sudhof ist eine Verwaltungsjuristin mit SPD-Parteibuch und jahrelanger Erfahrung im Justiz- und Verteidigungsministerium. Der damalige SPD-Gesundheitsminister Karl Lauterbach beauftragte sie 2024 damit, die Beschaffungspraxis zu Beginn der Pandemie zu untersuchen. Weil rund 100 Lieferanten auf ihrer Ware sitzen geblieben waren und nun mit Erfolg gegen den Bund klagen. Und, nicht wie die Union behauptet, um Wahlkampfmunition zu sammeln.
Für den 3,5-Milliarden-Euro-Schaden, der wohl noch bezahlt werden muss, werden die Steuerzahler:innen aufkommen. Wenn die Sozialdemokraten aus Koalitionsdisziplin schon nicht den Mumm haben, Untersuchungen zuzustimmen, sollten sie wenigstens den Anstand haben, sich vor eine Frau zu stellen, die einfach ihren Job gemacht hat. Vor allem, wenn sich die SPD als „Partei für gute Arbeit“ neu aufstellen will.
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