Soziale Folgen der EEG-Umlage: „Steigende Preise sind Armutsrisiko“
Der Staat muss die Energiekosten der armen Haushalte übernehmen, fordert Ulrich Schneider vom Paritätischen Wohlfahrtsverband.
taz: Die EEG-Umlage ist gestiegen. Schimpfen jetzt wieder alle, die Energiewende sei ein Armutsrisiko?
Ulrich Schneider: Was heißt schimpfen? Die steigenden Energiepreise sind ein Armutsrisiko. 800.000 Haushalte sind von Wohngeld abhängig, 3,5 Millionen von Hartz IV. Die haben keine Ahnung, wie sie ihre Stromrechnung zahlen sollen.
Die EEG-Umlage stellt nicht den Preis der Energiewende dar.
Dem armen Menschen ist es völlig gleich, ob es die EEG-Umlage, die Mehrwertsteuer oder die Netzkosten sind. Bei ihm kommen höhere Strompreise an. Wir brauchen eine Entlastung der armen Haushalte und können sie nicht zum Spielball energiepolitischer Optionen machen.
Wer ist schuld, dass die Strompreise so hoch sind?
Zunächst muss man festhalten: Die Deutschen wollen die Energiewende, sogar die EEG-Umlage ist in weiten Teilen akzeptiert. Die Verursacher der hohen Strompreise sind die Ausnahmen für die Industrie und die Tatsache, dass eine höhere EEG-Umlage dem Staat mehr Mehrwertsteuer bringt, die nicht eingesetzt wird, die Energiewende sozialverträglich zu gestalten.
ist Geschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbands. Er ist Erziehungswissenschaftler und kommt nach eigenen Angaben aus „einfachen Verhältnissen“.
Seit 2000 ist der Preis von Heizöl stärker gestiegen. Ist Öl ein Armutsrisiko?
Es sind die Energiekosten insgesamt. Bei einkommensschwachen Haushalten geht bis zur Hälfte des Einkommens für Wohnen und Energie drauf. Bei dieser Energiewende ist dringend eine Novellierung des Wohngeldes notwendig, wenn sie sozialverträglich ablaufen soll. Wir brauchen eine Energiekostenkomponente, ähnlich wie wir sie bis 2011 hatten. Und wir müssen bei Hartz-IV-Empfängern die Kosten für Strom ebenso übernehmen wie die Heizkosten. Beides würde 850 Millionen Euro im Jahr kosten. Der Staat verdient durch die EEG-Umlage bald 1,6 Milliarden an Mehrwertsteuer.
Wie wollen Sie die Leute zum Energiesparen animieren?
Wenn festgestellt wird, dass unwirtschaftliches Verhalten vorliegt, dann wird der Zuschuss gekürzt. Das ist bei den Heizkosten momentan auch so geregelt.
Glauben Sie, Energie kann wieder billiger werden?
Energie wird wahrscheinlich teurer werden, wenn wir nachhaltig und ökologisch produzieren und unseren Kindern keine Folgeschäden hinterlassen wollen. Das muss man akzeptieren, aber nur, wenn keine Industrieprivilegien herrschen.
Was geben Sie der neuen Bundesregierung auf?
Es darf auf keinen Fall passieren, dass Armutsprobleme gegen die Energiewende ausgespielt werden. Wir haben damit unangenehme Erfahrungen gemacht. Da hieß es, selbst der Wohlfahrtsverband sei gegen die Energiewende. Dafür lassen wir uns nicht instrumentalisieren. Die Energiewende ist ein wichtiges und legitimes Anliegen. Wir sagen nur, sie muss gerecht zugehen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“