Soziale Dienste: Amtsleiter geht in die Wüste
Das Amt für soziale Dienste soll nicht mehr in eigener Fachkompetenz seine Dienste organisieren - es wird nach 30 Jahren wieder in die Behörde integriert.
"Die Amtsleitung würde entfallen", so knapp und klar steht es in einem internen Papier des Sozialressorts. Das Problem: Es geht darum, wo Stellen im Sozialressort gespart und gestrichen werden können, 13 sollen im Jahre 2012 wegfallen und weitere vier im Jahre 2013. Die Lösung: Das Amt für soziale Dienste (AfsD) soll aufgelöst und in die Behörde integriert werden.
Das hat das Sozialressort beschlossen. Der Amtsleiter selbst, Peter Marquard, hat am 2. Februar per Mail mitgeteilt, dass er dagegen ist ("diese Pläne wurden nicht in voller Übereinstimmung mit mir als Amtsleiter erarbeitet"). Sein Vertrag für die Amtsleitung endet im August, die Stelle ist unkündbar - für ihn werde "eine neue berufliche Perspektive" gesucht. Also keine Einsparung an dieser Stelle. Sein Vorgänger wurde, bezahlt vom Sozialressort, an der Hochschule entsorgt, für ihn wird vielleicht etwas an der Universität gefunden.
Hat er etwas falsch gemacht? Wahrscheinlich hat er verhindern wollen, dass die Behörde bei Sparzwängen so einfach auf das Amt für Soziale Dienste durchgreifen kann. Schon bisher knirschte es da immer. Das Verfahren für die Neubesetzung einer frei werdenden Stelle dauert oft mehrere Monate aufgrund der komplizierten Verfahren, die die Behörde vorschreibt. Das kneift bei denen, die die Arbeit übernehmen müssen - aber es spart.
"Wir haben seit 30 Jahren hier permanente Umorganisationen", sagt Personalrat Wolfgang Klamand, "das demotiviert." Als das Amt für soziale Dienste geschaffen wurde, gab es große Zielen: Die strategische Landesebene sollte von der kommunalen "operativen" Ebene getrennt werden wie es bei richtigen Bundesländern der Fall ist. Dieses Prinzip wurde jetzt aufgegeben - und damit das nächste Organisationsproblem geschaffen: In Bremerhaven gibt es selbstverständlich eine kommunale Struktur, die nicht in die Landesebene integriert werden kann.
Vor rund zehn Jahren ist das Amt für soziale Dienste in seiner derzeitigen Struktur eingerichtet worden. Im Sommer 2011 hat es die letzte Umorganisation ergeben: Die fachlichen Stäbe, die über den "Sozialzentren" stehen, wurden in die Behörde integriert. Damit war dem Amt schon eine wichtige Kompetenz genommen worden. In der Behörde gab es auch Fachabteilungen, die sich immer wieder in die operative Arbeit des Amtes für soziale Dienste eingemischt haben - das führte zu Doppelstrukturen und Reibungsverlusten. Eigentlich war verabredet worden, dass die Effekte der letzten Organisationsreform ausgewertet werden sollten. Das ist passiert - in der senatorischen Behörde.
Das Amt habe "ein ordentliches Selbstbewusstsein entwickelt", sagt der Spreche der Sozialsenatorin, "und macht nicht das, was die senatorische Behörde möchte". Eine Steuerung sei "schwer möglich". Darüber besteht offenbar Einigkeit, Personalrat Klamand sieht das nur von der anderen Seiten: Die Behörde gebe fachliche Weisungen vom grünen Tisch aus, und die seien oft einfach nicht praktikabel - oft auch nicht mit dem bestehenden Personal.
Und da oben gewöhnlich unten sticht, wird nicht bei den Aufsichts-Abteilungen in der Landesbehörde gekürzt, sondern die untere Ebene, auf der die Arbeit gemacht wird, umorganisiert. "Mir fällt dazu eine Geschichte von Gerhard Reichel ein", schrieb die Frauenbeauftragte Kornelia Koczorowski an ihre Kolleginnen. Reibungsverluste - die gibt es, sagt sie. Allein für die kleine Frage, in welchen Fällen die Bestattungskosten vom Amt übernommen werden, gab es in der Vergangenheit immer wieder neue Vorschriften und die können, wenn die senatorische Behörde mitarbeitet, schon mal zehn Seiten lang ausfallen. Ob sowas umsetzbar ist und wie viel Zeit es kostet, bleibt dann als Problem bei denen, die die Arbeit machen müssen.
In der senatorischen Behörde gibt es rund 250 Mitarbeiter, allein in den Sozialzentren 600 - wenn die Verschmelzung umgesetzt ist, sind die Vertreter der Sozialzentren in der Mehrheit - jedenfalls auf Personalversammlungen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen