■ Soundcheck: Gehört: MC Lyte und Heute abend: Luis di Matteo
Gehört: MC Lyte. Sie pfeifen augenscheinlich auf unsereinen. Obwohl die EU-Bürger treue Fans und Käufer sind, interessieren sich US-HipHopper kein bißchen für diese. Wann immer sie sich zu Tourneen aufraffen, pflegen sie eine Fresse, die dem durchschnittlichen liberalen Mittelklasseweißen zeigen soll, daß er ohnehin nichts von HipHop kapiert, weil er seine Skills nicht schon mit Grandmaster Flash auf dem Spielplatz schliff.
Auch die Rapperin MC Lyte beschäftigte sich in der gut gefüllten Großen Freiheit eine gute halbe Stunde damit, ihre knatternden Anfänge zu demonstrieren: „1988, hört ihr das.“Anstatt auf das Publikum, das von Down Low mit Großraumdisco-Karaoke eingestimmt wurde, einzugehen, führte MC Lyte vor, daß sie schon lange dabei ist und ihr deshalb Respekt gebührt.
Allein, das hatte niemand angezweifelt. Als Rapperin ist Lana Moorer präzise, scharf und vielseitig; ihre Texte sind rotzig, ausgefallen und aggressiv – mehr kann man eigentlich nicht erwarten. Erwarten darf man allerdings schon, daß sie auf der Bühne die Soulchöre ihrer neuen Platte Bad As I Wonna Be nicht vom Dat abnudelt. Denn dadurch – und da half auch kein „Ruffneck“mehr – riß das Band zum Publikum endgültig. Und manch einer pfiff einfach zurück. Oder kreuzte im Mojo Club auf, wo Stealth furiose Ninja-Cuts im DJ-Duett aufführten. Volker Marquardt
Heute abend: Luis di Matteo. Es war eine schwere Geburt, genauer gesagt, ein schweres Erwachsen-Werden. Als die „Great Conference“aller Tanzlehrerverbände 1929 beschloß, den Tango in die Reihe der Standardtänze aufzunehmen, hatte das Instrument, das den synkopengeprägten Tanz berühmt werden ließ, bereits eine Reise um den halben Erdball und zurück hinter sich. Denn auch wenn es niemand glauben mag: Das Bandoneon, das uns den schönen Wiegeschritt geschenkt hat, hat seine eigene Wiege in Krefeld. Ein gewisser Herr Band entwickelte hier 1835 quasi eine Orgel für Arme. In Europa mochte das kleine eckige Teil aber niemand, und so wurde es, so geht die Mär, vom Hamburger Hafen nach Buenos Aires verschifft.
Auch Luis di Matteo hat die Welt schon ein paarmal umrundet. 1934 in Montevideo geboren, studierte er am dortigen Konservatorium und gründete 1962 sein eigenes Ensemble. Dann ging die Reise los: Als Vertreter des Nuevo Tango tourte er durch Europa, komponierte in Schweden Soundtracks und arbeitete in Rußland mit dem Uljanowsk National Symphony Orchestra. Obwohl seine Wurzeln klar im Milango, Candombe und im Tango liegen, der ein Kind der Bordelle des Rio de La Plata ist, hat Di Matteo seine Musik beständig in Richtung E-Musik erweitert: Die jüngste CD wurde mit einem Streichquartett eingespielt.
Nach Hamburg kommt der Virtuose aus Uruguay als Solist, doch beherrscht er das Bandoneon in seiner Dynamik wie ein kleines Orchester der reflektierten Leidenschaft.
Christiane Kühl
21 Uhr, Werkstatt 3
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