Sotschi 2014 – die Abschlussfeier: Wie die Schneekönige
Die Abschlussfeier verläuft ohne Pannen. Auch die russischen Athleten erbrachten am Ende die geforderten Erfolge. Die Inszenierung ist perfekt und erinnert an früher.
Der Wettkampf des Abends: Aufwändig, patriotistisch, gleichgeschaltet – die Abschlussveranstaltung der Olympischen Spiele gleicht einer Inszenierung aus den besten Sowjetzeiten. Ein Kinderchor singt die Nationalhymne, die auch schon die Hymne der UdSSR war. Diese hat Präsident Putin im Jahr 2000 wieder eingeführt.
Als die drei russischen 50-Kilometer-Langläufer ihre Medaille abholen, halten sie sich die Hand aufs Herz. Russland führt den Medaillenspiegel an, auch wenn das große Ziel, das Eishockey-Gold der Männer, nicht erreicht wurde. Aber auch das Publikum muss Teil des Patriotismus werden. Die Besucher der Abschlussveranstaltung haben leuchtende Medaillen um den Hals, die den Zuschauerraum in eine blinkende Russlandfahne verwandeln. Auch den leeren Sitzplätzen wurde einfach eine Medaillie umgehängt. Und wie schon 1980 bei den Spielen in Moskau pustet das Bärenmaskottchen das olympische Feuer aus.
Die AthletIn des Abends: Präsident Wladimir Putin, natürlich. Doch dieser wirkt als einziger nicht besonders angeregt. Der große Herrscher hat wohl gerade andere Probleme.
Das Drama des Abends: Berühmt ist er geworden, der fünfte olympische Ring, der sich bei der Eröffnungsfeier nicht öffnete. Auch bei der Abschlussfeier in Sotschi blieb der Ring, der diesmal von 700 Tänzern dargestellt wurde, geschlossen.
Russland nahm sich selbst auf die Schippe und missachtete dabei seine eigene Bevölkerung, denn die haben die Panne der Eröffnungsfeier gar nicht gesehen. Dort liefen beide Shows mit Verzögerung. Die Szene wurde durch eine andere Aufnahme ausgetauscht. Auf der Abschlussfeier blieb der Ring nur eine Zeit lang geschlossen, er öffnete sich nach wenigen Sekunden.
Weitere Entscheidungen (Medaillen):
Die Musik: Die Abschlussfeier war grausig. Die Veranstaltung, die ansonsten sehr staatstragend daherkam, erinnerte beim Einlauf der Athleten eher an Après-Ski. Jemand hat die Bravo Hits 13 eingelegt und Europop aus den 90ern und frühen 00er Jahren gespielt. Für Partyfotos haben die Sportler ihre Smartphones und Tablett-PCs gezückt und filmten die Veranstaltung mit.
Weitere Wettkämpfe:
Die Performance (in Stichwörtern): Bunte Salzstangen hängen von der Decke. Feuerwerk. Eine kitschige Show zu Ehren der russischen Hochkultur. Die Platzanweiser tragen goldene Umhänge, sektenmäßig. Kindersingen. Es muss kalt sein. Alle tragen Winterjacken, Mützen, Handschuhe. Popcornwolken. Zirkus. Thomas Bach hält sich nicht an das Protokol. Er schwänkt die Fahne sieben Mal. Papier flattert über die Bühne, da weiß man, wofür die abgeholzten Wälder genutzt wurden.
Die Performance (in einem Satz): ein müder Abklatsch des „Polarexpress“.
Proteste an der Strecke: Die russische Polizei hat am Sonntag in St. Petersburg vier Aktivisten festgenommen, die aus Solidarität mit den Demonstranten in der Ukraine auf einer Brücke der Stadt Autoreifen in Brand gesetzt hatten. Bei der Protestaktion schlugen Mitglieder der Gruppe auf Metallplatten und schwenkten ukrainische Flaggen.
„Vier Menschen wurden wegen Rowdytums nahe einer Kirche festgenommen“, sagte ein Polizeisprecher. Unter den Aktivisten war auch der Eventkünstler Pjotr Pawlenski, der schon mehrfach mit schmerzhaften Performances für Aufmerksamkeit gesorgt hat. Die Gruppe erklärte, sie habe mit ihrer „Freiheit“ getauften Aktion an die Proteste auf dem Unabhängigkeitsplatz in Kiew erinnern wollen. Anders als die monatelangen Demonstrationen in der ukrainischen Hauptstadt war das Happening in St. Petersburg nach zwanzig Minuten vorüber.
Auch in der bulgarischen Hauptstadt Sofia zeigten Aktivisten ihre Sympathie mit den Ereignissen in der Ukraine. Ein Denkmal für die Sowjetarmee wurde über Nacht mit einer ukrainischen Flagge geschmückt, daneben stand: „Ehre der Ukraine.“ Die Statue eines Rotarmisten aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges wurde blau und gelb angemalt, auf den Sockel hatten Unbekannte das Wort „Caputin“ geschrieben – eine offenkundige Verunglimpfung des russischen Präsidenten Wladimir Putin (afp)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin