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Sorge über RezessionDie Krise von unten betrachtet

Lotte Laloire
Kommentar von Lotte Laloire

Linke sollten nicht in das Gejammer der Unternehmen über rückläufiges Wachstum einstimmen. Für sie sind andere Zahlen wichtig.

Wolfsburg, 16. Dezember, Protest von VW-Mitarbeitenden: Selbst Volkswagen erwartet dieses Jahr noch 18 Milliarden Euro Gewinn Foto: Moritz Frankenberg/dpa

V ielerorts, auch in unserer Zeitung, ist aktuell die Rede von einer Wirtschaftskrise. Ist das angebracht? Klar, die Autoindustrie hat alles verschlafen, ein Hightech-Standort ist dieses Land nicht und keiner will mehr deutschen Stahl. Das deutsche Wirtschaftsmodell ist eine Katastrophe. Doch Linke sollten nicht in das Gejammer einstimmen, mit dem Unternehmensvorstände jetzt Entlassungen rechtfertigen oder Subventionen erheischen wollen.

Erstens ist die Lage komplexer. Noch belegen nicht alle Zahlen eine „Krise“ im klassischen Sinne. So hat beispielsweise der DAX zuletzt sechs Rekorde in Folge erreicht und ist auf einen neuen Höchststand geklettert. Es herrscht Fachkräftemangel und keine Massenarbeitslosigkeit. Sogar Löhne werden dank Tarifkämpfen teils erhöht, etwa in der Metall- und Elektroindustrie. Und für 2025 wird derzeit ein Wachstum von 0,2 Prozent vorhergesagt.

Die Gewinne der Unternehmen steigen also weiter, nur eben nicht so stark wie bisher. Selbst Volkswagen, wo gerade so getan wird, als gehe die Welt unter – und Beschäftigte mit dieser Begründung auf 10 Prozent ihres Lohnes verzichten sollen! – erwartet dieses Jahr noch 18 Milliarden Euro Gewinn.

Zur Erinnerung: Gewinn ist Geld, von dem diejenigen, die es erwirtschaften, also die hart Arbeitenden, nichts kriegen. An dieser Stelle kommt meist das Totschlagargument „Aber die Arbeitsplätze …!“ Freilich ist es schlimm, wenn Unternehmen Leute entlassen, aber das tun diese durchaus auch in Blütezeiten.

Zweitens ist Wachstum kein Garant für das Wohlergehen der Menschen. Die Mehrheit hat nichts davon, erst recht nicht, wenn die Preise enorm steigen so wie in letzter Zeit. Einer der Posten, der die Deutschen, unabhängig von jedem Unternehmensgewinnen, in die Krise reißt, sind explodierende Mieten. Ein anderes Beispiel für schwindelerregende Wachstumseinbrüche lässt sich bei den Renten von Frauen beobachten, die Kinder großziehen. Zu wenig wachsen auch Bürgergeld und Bafög, wie jüngst ein Gerichte urteilte. Die Liste ließe sich fortsetzen.

Leider spielen diese Kennzahlen in vielen aktuellen Beiträgen keine Rolle. Ob wir in einer Krise stecken, sollten wir ausgehend von unserer eigenen wirtschaftlichen Position bewerten – nicht aus Sicht der Unternehmen. Dann käme vielleicht heraus, dass die wahre Krise schon vor Jahren begonnen hat.

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Lotte Laloire
Lotte Laloire ist Mitte 30 und immer noch links. Sie arbeitet seit 10 Jahren als Journalistin - für Medien wie taz, nd (Neues Deutschland), Tagesspiegel, Frankfurter Rundschau, Jungle World, Brigitte oder Deutschlandfunk.
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10 Kommentare

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  • Frau Laloires Analysen sind immer so schön to the point. So auch hier.

  • Wachstum, Wachstum Wachstum - Klarnamen: Ressourcenverschwendung, Ausbeutung und Zerstörung unseres Planeten. Kindergeld, Bürgergeld und Renten mit Wachstum zu verknüpfen nenne ich problemflankierende Sprachreglungsanästhesie. Wachstum bedeutet im Grunde noch mehr Autos , noch mehr Staus, noch mehr Elektroschrott, noch mehr Plastikmüll, noch mehr Altkleider, noch mehr Lebensmittelverschwendung usw. usw.

  • Das Problem, dass die Autorin (offensichtlich stellvertretend für viele Linke) verkennt, dass das Steueraufkommen des Staates höchst fragil ist.

    Und das die Entwicklung des DAX nichts mit der innerdeutschen Wirtschaft zu tun hat sollte eigentlich jeder wissen (ganz ungeachtet der individuellen politischen Parteienzuneigung).

    Was bringen tolle Vorschläge und deren Gegenfinanzierungen, wenn sich das Steuergesamtaufkommen hierdurch derart verschlechtert, dass selbst der Wert der Gegenfinanzierung weit unterschritten wird?

    Da die Unternehmen und deren Beschäftigte einen Großteil des Steueraufkommens tragen, müssen auch die Linken darauf achten geben.

  • Um als Boomer mal Supertramp zu zitieren: "Krise, welche Krise?"



    Alle Jahre wieder Wirtschafts-, Finanz-, Politik-, Gesundheits- und Sicherheitskrisen, letztlich versuchen dabei immer ein paar von den oberen paar Prozent Subventionen rauszuholen, was im Regelfall gelingt, während alle anderen den Gürtel enger schnallen dürfen und vielleicht mal etwas medial aufgeblasene Unterstützung für Arme kommt.



    Früher musste für das Gejammer erst eine Zeitung gedruckt werden oder man musste im Rundfunk auftauchen, heute können die Mitverursacher der Krisen, die Linne- und Connemanns, die Söders und Lindners ihre Lügenmärchen in Echtzeit rauslassen und die AgD kann das in Echtzeit weiterverwursten.



    Was interessiert mich die Rezession und sas Gejammer, das hatte bisher genauso wenig Auswirkung auf die Entwicklung von meinem Einkommen wie sogenannter wirtschaftlicher Aufschwung, denn das ist geprägt von Stagnation und leichten Reallohnverlusten. Das soll kein Gejammer sein, sondern eine Feststellung.



    Daher mache ich mir viel mehr Sorgen um die Demokratie und die Gesellschaft, denn was nützt eine florierende Wirtschaft wenn im Land Irre und Antidemokraten regieren?

    • @Axel Schäfer:

      Es ist immer eine gute Idee, die aktuellen sozioökonomischen Eckdaten mit denen der 1973/74er Krise zu vergleichen. Dann sieht man direkt: es ist zur Zeit vor allem eine Krise der Befindlichkeit.

  • Wenn wir schon ganz links argumentieren: Gewinne der Unternehmen sind das, was wir Kunden zu viel bezahlen! 18 Mrd bezahlen VW Kunden so gesehendem VW Konzern zuviel, und das an Angestellte und Arbeiter, die oft deutlich oberhalb irgendwelcher Durchschnitte verdienen.



    Es wird also Zeit mal die Leute in den Fokus zu nehmen, die nicht bei Großkonzerne gepampert werden, sondern die die z.B. im Handwerk arbeiten und oft zu üblen Bedingungen für VW Subunternehmer spielen und überteuerte Produkte der Industrie benötigen. Und oft zu Löhnen arbeiten , stark unterhalb von VW Beschäftigten.



    So gesehen hält sich mein Mitleid sowohl gegenüber Managern, und VW insgesamt, doch arg in Grenzen. Weiß gar nicht, warum immer VW Leute und sonstige Großkopferte stets als Opfer stilisiert werden. Kleinbetriebe und mittlere Betriebe (sog. KMUs) und deren Arbeiter mal zu fokussieren in Presse und Politik wäre mal hilfreich.

  • Die Ursachen der Krise liegen ja immer in der Vergangenheit, wo sonst. Die deutsche Wirtschaft ist ja nicht der Mittelpunkt der Welt. Europa ist ja auch nicht mehr der Mittelpunkt der Welt. Die Krisen der Vergangenheit (Finanzkrise, Islamismusbedrohung, Corona, Russlands Krieg, Flüchtlingskrise) haben natürlich gekostet. Die Null Zins Phase hat da geholfen. Aber die Schulden wurden ja nicht verringert, sondern erzeugten auch durch Minuszinsen Einnahmen. Und Überraschung, jetzt kostet das alles und auch versteckte Schulden fordern Tribut. Wer soll jetzt bezahlen? Die Reichen oder die Armen? Schauen wir zurück in die Geschichte und lernen: Die Armen werden bezahlen müssen, die Reichen müssen ja investieren. So isses

  • "Zur Erinnerung: Gewinn ist Geld, von dem diejenigen, die es erwirtschaften, also die hart Arbeitenden, nichts abbekommen."

    Oha, unkorrekte Pauschalaussage.

    Zum einen erhalten diverse Angestellte/Arbeiter eine Gewinnbeteiligung durch ihr Unternehmen, sei es durch eine direkte Auszahlung zum Gehalt oder durch Anteile am Unternehmen (Aktien).

    Zum anderen wird der Gewinn versteuert und die daraus erzielten Erlöse kommen als Steuereinnahmen dem gesamtem Staat zu Gute.

    • @Tom Tailor:

      "Zum einen erhalten diverse Angestellte/Arbeiter eine Gewinnbeteiligung durch ihr Unternehmen, sei es durch eine direkte Auszahlung zum Gehalt oder durch Anteile am Unternehmen (Aktien)."

      Dann sind sie aber keine "Angestellten/Arbeiter" mehr, sondern Kleinkapitalisten, die sich für Proletarier halten.

      "Zum anderen wird der Gewinn versteuert" oder in Steueroasen verschoben. Welcher Großkapitalist zahlt denn Steuern in dem Umfang, wie das Gesetz es ihm vorschreibt?

      • @Ajuga:

        Heutzutage ist doch jeder Arbeiter oder Angestellte, der irgendwo in Aktienfonds investiert oder Aktien direkt hält, ein "Kleinkapitalist". Diese scharfe Trennung wie Sie sie formulieren ist doch schon lange nicht mehr auf die breite Mehrheit der Gesellschaft anwendbar und ein Relikt aus dem vorigen Jahrhundert.

        Stichwort Steuerpflicht: jedes bilanzpflichtige Unternehmen muss seine in Deutschland erzielten Gewinne versteuern. Dazu gehören insbesondere alle DAX-Konzerne. In Zweifel lesen Sie einfach mal die entsprechenden Geschäftsberichte, z.B. hier von "SAP":

        G+V 2022 in Mio €:



        Gewinn vor Steuern3.090



        Ertragsteueraufwand−1.382



        Gewinn nach Steuern1.708

        www.sap.com/integr...-and-esg-data.html