Sophie Fichtner Vorschlaghammer: Fruchtbarkeit bei Frauen hat ein Ablaufdatum. Aber lohnt es sich, sie deshalb zu testen oder löst das nur Panik aus?
Die kleinen Blätter über mir tanzen im Wind, ich liege im Schatten darunter, neben mir meine beste Freundin. „Ich glaube, ich lasse meine Fruchtbarkeit checken“, sagt sie aus dem Nichts. Ich rappel mich auf, schaue ihr in die Augen. „Wie kommst du darauf?“
Sie erzählt, dass eine Freundin von ihr bald Social Freezing macht, also Eizellen für später einfriert. „Hat ihre Tante ihr zum Dreißigsten geschenkt.“ Waaas? Mein Entsetzen sieht sie mir an. „Nein, nein, sie wusste, dass ihre Nichte sich das wünscht.“ So übergriffig wie befürchtet ist das Geschenk also nicht. Und trotzdem bin ich überrumpelt vom Fortpflanzungsthema, das in diesem Moment in meinem engsten Umfeld einschlägt.
Social Freezing kommt für meine Freundin und mich eh nicht infrage – viel zu teuer. Um die 5.000 Euro kostet die Entnahme der Eizellen. Und für jedes Jahr, in dem die Eizellen bei minus 196 Grad in flüssigem Stickstoff gelagert auf ihren Einsatz warten, bezahlt man weitere 350 Euro. Aber ihre Fruchtbarkeit untersuchen lassen, damit sie weiß, woran sie ist, will meine beste Freundin jetzt trotzdem. Schließlich nimmt die Fruchtbarkeit bei Frauen ab 25 rapide ab. Den Zenit haben wir also schon überschritten.
Als es um das Brustkrebsrisiko in meiner Familie ging und die Frage, ob es möglicherweise eine genetische Vorbelastung gibt, wollte ich das unbedingt wissen. „Sie sollten darüber schlafen, ob Sie den Test machen wollen“, riet der Arzt. „Wenn man einmal von dem Risiko weiß, kann es das ganze Leben beeinflussen.“ Ich wusste sofort, ich will den Test machen, schließlich gab es einen Anhaltspunkt für den Verdacht. In dem beschissenen Fall, dass ich ein genetisches Risiko in mir trage, wollte ich besser vorsorgen können.
Bei meiner Fruchtbarkeit ist das anders. In mir wehrt sich etwas. Es könnte sein, dass ich mir jetzt den Kopf über eine mögliche Unfruchtbarkeit zermartere, ich in ein paar Jahren aber gar kein Kind bekommen möchte. Gleichzeitig habe ich eine Art Urvertrauen: Wenn es so sein soll, wird mein Uterus schon mitspielen. Normalerweise glaube ich nicht an eine höhere Gewalt, aber vielleicht fängt meine Spiritualität beim Thema Fortpflanzung an – oder ich versuche nur, die Verantwortung von mir zu schieben.
Jede Frau, die sich täglich Hormonspritzen in den Bauch rammt, um schwanger zu werden, die versucht, mithilfe einer künstlichen Befruchtung ein Kind zu bekommen, würde mir wahrscheinlich raten, mich besser früh als spät mit meiner Fruchtbarkeit zu beschäftigen.
Andererseits: Ist es nicht so, dass die meisten aller Sorgen, die wir uns machen, gar nicht eintreten? Normalerweise habe ich auch nicht das Bedürfnis, mich gegen jedes Schreckensszenario abzusichern. Eine Reiserücktrittsversicherung zum Beispiel. Warum sollte ich von vornherein davon ausgehen, dass ich so krank werde, dass ich nicht in den Urlaub fahren kann? Am Ende verdient die Versicherung nur Geld, weil sie mich verunsichert hat.
Ist das mit Fruchtbarkeitsuntersuchungen nicht ähnlich? Dass ich dadurch eher Mutter werde, ist nicht sicher. Dass jemand an den Vorsichtmaßnahmen verdient, hingegen schon.
Oder mache ich mir mit meiner Argumentation etwas vor? Kann es sein, dass ich auch nicht wissen will, wie fruchtbar ich bin, weil ich mich mit den Konsequenzen auseinandersetzen müsste? Schließlich nehmen heute immer noch die allermeisten an, dass Frauen Mütter werden.
Sophie Fichtner, 28, ist Redakteurin der wochentaz. Jeden Monat erhält sie einen Rat fürs bessere Leben und testet: Ist das Fortschritt oder Bullshit?
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