: Sonnenwende mit schwarzen Flecken
Die ökologische Modernisierung läuft – nur bei der Ökosteuer, den Kohlesubventionen und dem AKW Obrigheim hakt es
BERLIN taz ■ Im Umweltbereich haben SPD und Grüne eine deutliche Stärkung der ökologischen Lenkungspolitik verabredet. Gemessen an Positionen der Grünen gibt es jedoch auch Schwachpunkte: So bleiben die Beschlüsse bei der Ökosteuer und den Kohlesubventionen nebulös.
In der Verkehrspolitik wollen SPD und Grüne gemeinsam mit den Bundesländern versuchen, die Kraftfahrzeugsteuer umzugestalten. Kriterium für die Höhe soll in Zukunft nicht mehr der Hubraum des Motors, sondern der Ausstoß von Kohlendioxid sein. Das Ziel: Klimaschutz durch Erhöhung des Anteils abgasarmer Fahrzeuge. Ab 2005 wird der Personenverkehr der Bahn komplett mit dem halbierten Satz der Mehrwertsteuer begünstigt, was den Schienenunternehmen 405 Millionen Euro in 2005 und 480 Millionen in 2006 spart. Bisher gilt im Fernverkehr noch der volle Tarif von 16 Prozent. Die Koalitionäre sind sich einige, dass diese Kostensenkung zu niedrigeren Fahrpreisen bei der Bahn AG führen muss.
Gleichzeitig soll für Flugtickets ins europäische Ausland in Zukunft der volle Mehrwertsteuersatz gelten. Das belastet den Flugverkehr mit 425 Millionen Euro im kommenden Jahr. Bisher wird keine Steuer erhoben. Weiterhin will die Regierung eine Europa-Initiative für eine einheitliche Steuer auf Flugbenzin starten – Ausgang ungewiss.
Bei den Investitionen in Schiene und Straße plant Rot-Grün, tendenziell Gleichgewicht herzustellen. Für jeden Euro im Straßenbau soll auch einer in den Bahnverkehr fließen. Das Fluglärmgesetz, das am Widerstand des SPD-Verkehrsministeriums gescheitert ist, soll neu ins Parlament kommen – diesmal aber unter Federführung des grünen Umweltministers Jürgen Trittin. Die Chancen für die Durchsetzung stehen dann deutlich besser.
Energiepolitisch einigten sich die Delegationen darauf, die Steuer auf Erdgas an diejenige für leichtes Heizöl anzugleichen, das heißt von heute 0,35 Cent pro Kilowattstunde auf 0,56 Cent zu erhöhen. Das schafft gleiche Wettbewerbsbedingungen, führt aber möglicherweise zu einem Zielkonflikt: Die Verdrängung von umweltschädlicher Kohle und Erdöl durch das billigere und ökologischere Erdgas könnte sich verlangsamen. Der Staat nimmt eine Milliarde Euro zusätzlich ein.
Von den bisherigen Ausnahmen bei der Ökosteuer für das produzierende Gewerbe sollen einige ausgebaut werden – wo genau, ist noch nicht klar. Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) beeilte sich klarzustellen, dass die besonders energieintensive Chemie-, Aluminium- und sonstige Metallindustrie keine Vorteile einbüßen werde. Von den Ausnahmen der Ökosteuer – insgesamt 3,5 Milliarden Euro – soll die Industrie rund 625 Millionen Euro verlieren. Mit seiner Forderung, die Ökosteuer ab 2004 weiter zu erhöhen, ist der grüne Umweltpolitiker Reinhard Loske nicht durchgedrungen. Die Koalition will anhand des Ölpreises, der Konjunktur und verschiedener anderer Kriterien überprüfen, wie man die Ökosteuer ab 2004 weiterentwickeln kann.
In punkto Kohlesubventionierung wurde vereinbart, die Förderung ab 2006 allmählich abzuschmelzen. Eine Aussage für die Zeit nach 2010 gibt es nicht, weil man sich nicht einigen konnte. Die Grünen wollen die Förderung des Bergbaus einstellen, die SPD plädiert für einen ewigen finanziellen Sockel.
Zur Förderung der erneuerbaren Energie soll es ein Marktanreizprogramm mit festen Fördersätzen für Forschungs- und Pilotprojekte geben. Für 2004 stehen 200 Millionen Euro bereit, für 2005 rund 220 Millionen, für 2006 dann 230 Millionen. Die Kohlendioxid-Emissionen will Rot-Grün bis 2020 um 40 Prozent gegenüber 1990 verringern, wenn die anderen Staaten der Europäischen Union 30 Prozent Reduktion erreichen.
HANNES KOCH
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