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Sommerlochdebatten zum AugenrollenTourismus und andere Krankheiten

Hannover diskutiert, mit welchen Slogans die Stadt Touristen von sich überzeugen soll. Eins jedenfalls kann man dort gut: umsteigen.

Wie überzeugt man Menschen, hier aus- und nicht nur umzusteigen? Hannovers Bahnhofsviertel Foto: Hauke-Christian Dittrich/dpa

M einer bescheidenen Meinung nach gehört zu den großen Vorzügen Hannovers, dass man hier super leben kann, ohne andauernd über nervige Touristen zu stolpern und von dem ätzenden Geräusch von Rollkoffern auf Kopfsteinpflaster aus dem Schlaf gerissen zu werden.

Aber Hannovers Hoteliers sehen das ein bisschen anders. Die lebten bis kurz vor Corona ganz gut vom Messegeschäft, das scheint sich nur leider vom Pandemieschaden nicht wieder zu erholen. Das ist natürlich ein Riesenproblem, denn wenn man ehrlich ist, gibt es jetzt einfach zu viele Hotelbetten in dieser Stadt. Und wie das so ist bei notorischen FDP-Wählern: Marktwirtschaft finden die immer nur so lange geil, wie sie davon profitieren. Wenn das nicht mehr der Fall ist, schreien sie nach dem Staat. Oder in diesem Fall: nach einem Tourismus-Konzept. Das natürlich Stadt und Region in Auftrag geben und bezahlen müssten, schließlich muss man hier bald eine Bettensteuer abführen, für irgendwas muss die doch gut sein.

In jedem Fall haben sie es geschafft, dass man jetzt das Sommerloch mit Diskussionen darüber füllt, was denn Hannovers „Unique Selling Point“ sein könnte, ob die Stadt nicht eigentlich viel geiler ist, als man so denkt und mit welchem Slogan sich das am besten verkaufen ließe. Und ich kriege wahrscheinlich demnächst eine Entzündung in den äußeren Augenmuskeln vor lauter Augenrollen.

Die Antworten und Vorschläge auf diese Fragen sind derart vorhersehbar und austauschbar, irgendwas mit Gärten und Grün, kurzen Wegen, Wissenschaft auch, Vergangenheit und Zukunft, vielleicht sogar Hochdeutsch. Wenn die Stadtverwaltung clever wäre, würde sie das einfach mal von ChatGPT, Bard & Co. zusammenschreiben lassen und ganz viel Geld sparen, aber das befriedigt nicht den kindlichen Wunderglauben an Konzepte und Agenturen und das richtige Kommunizieren, dann können wir alles sein, sogar Hamburg, Berlin oder München.

Dabei gibt es eine Sache, die man hier tatsächlich viel besser kann als in diesen anderen Städten: Umsteigen nämlich. Vielleicht sollte man sich bei der Vermarktung der Stadt einfach mal auf die Tagungs- und Kongressreisenden konzentrieren, für die gute Erreichbarkeit wichtig ist. Wir haben ja nicht nur den Bahnhof, sondern auch einen schnuckeligen Flughafen und ein Autobahnkreuz, für die die es nicht lassen können.

Diese Tagungsreisenden sollten dann aber besser keine Mediziner sein, habe ich gehört. Und damit wären wir bei der zweitnervigsten Hannover-Sommerloch-Debatte: Der Verwirrung, ob die neue Medizinische Hochschule nun einen Stadtbahnanschluss bekommt oder nicht. Das ist Außenstehenden kaum zu erklären, da soll für mehr als eine Milliarde Euro ein schicker Campus, neue Bettenhäuser und alles mögliche für die führende Medizinische Hochschule des Landes entstehen – und dann ventiliert man ernsthaft den Gedanken, all diese Beschäftigten, Studierenden, Patienten und Angehörigen mit Shuttle­bussen von der alten Haltestelle dorthin zu karren, plant aber mit größter Selbstverständlichkeit vier Parkhäuser ein.

In Wirklichkeit geht es bei dem Gezerre zwischen Stadt, Region und Land wohl eher darum, wer die Trasse zahlt, aber das sagt so offen eben keiner. Stattdessen beharkt man sich mit halbgaren Behauptungen in der Lokalpresse und nachher soll alles nur ein Missverständnis gewesen sein – und das obwohl an allen zuständigen Stellen Sozis sitzen. Vielleicht wäre das ja ein Unique Selling Point für Hannover: Kommen Sie in die Stadt, die ihnen zeigt, wie Filz nicht funktioniert! Aber werden Sie bloß nicht krank hier.

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Nadine Conti
Niedersachsen-Korrespondentin der taz in Hannover seit 2020
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