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: Wandelt sie noch immer?

In der Sektion „Perspektive Deutsches Kino“ bietet die Sommerausgabe der Berlinale Fiktionales mit Doku-Touch. Zu sehen ist das Programm in zahlreichen Open-Air-Kinos

„Wood and Water“ von Jonas Bak, DEU, FRA 2021, Perspektive Deutsches Kino Foto: Trance Films

Wie viel Fiktion ist erlaubt im Dokumentarfilm? Das wird seit dem Skandal um die vermeintliche NDR-Doku „Lovemobil“ diskutiert, bei der sich irgendwann herausstellte, dass sie eher ein Spielfilm ist. Umgekehrt lässt sich ein gewisser Hybrideffekt hin zur dokumentarischen Anmutung bei gleich zwei fiktionalen Filmen erkennen, die bei der Sommer-Berlinale in der Sektion „Perspektive Deutsches Kino“ zu sehen sind. In „Jesus Egon Christus“ von David und Saša Vajda etwa umschleicht einen immer wieder dasGefühl, dass der Psychotiker Egon, der in derUmgebung Berlins bei der von einem Jesus-Freak geleiteten Lebenshilfe untergekommen war, vielleicht eine echte Person ist, die wirklich beim Ausflippen beobachtet wird. „Wood and Water“ von Jonas Bak wirkt ebenfalls ziemlich dokumentarisch. Man hört Anke zu, die von ihrem Leben im Ruhestand erzählt und von der Zeit mit ihrem verstorbenen Ehemann. Sie reflektiert Vergangenes mit Blick auf das Haus an der Ostsee, in dem sie früher gelebt hat, und man hat nicht das Gefühl, dass ihr irgendein Drehbuchautor die Worte in den Mund gelegt hat. Gespielt wird Anke auch noch von der Mutter des Regisseurs selbst. Der Sohn im Film aber heißt Max und ist nach Hongkong ausgewandert, wohin Anke auch reist. Und es dämmert einem: „Wood and Water“ ist ein fiktionaler Stoff. Begleitet vom ruhigen Ambientsound Brian Enos gleitet die alte Frau durch die neue Welt und man kann sich gut vorstellen, dass sie noch immer die Hochhausschluchten Hongkongs durchmisst. Andreas Hartmann

Bis 18. Juni, www.berlinale.de