Somalisches Militär gegen Vertriebene: Flüchtlinge wie Müll weggeräumt
Das Militär beseitigt viele Camps und humanitäre Einrichtungen. Die Lage der Flüchtlinge in Somalia bleibt katastrophal.
520.000 Vertriebene drängeln sich in improvisierten Lagern rund um die Hauptstadt Mogadischu, wo Regierung und UNO beständig Fortschritte im Friedensprozess loben und darüber nachdenken, wie vielleicht mal wieder Touristen an Somalias weiße Strände kommen.
Just in diesem zwiespältigen Klima haben die Behörden begonnen, Flüchtlingslager zu räumen – ohne Vorwarnung und offenbar ohne Plan. „Am 29. und 30. Dezember wurden über 23 Vertriebenensiedlungen mit über 4.000 Familien zerstört“, schimpfte bereits am Neujahrstag der humanitäre UN-Koordinator für Somalia, Peter de Clercq.
„Manche dieser Vertriebenen sind lange Strecken gelaufen, um Dürre und Konflikt zu entkommen. Sie haben ihren Besitz und Lebensunterhalt verloren, da den Leuten keine Zeit gewährt wurde, ihre Habseligkeiten einzusammeln, bevor die Zerstörungen begannen. Jetzt leben Familien mit Kindern, Frauen und Alten unter freiem Himmel.“
35.000 Menschen betroffen
Inzwischen wird das volle Ausmaß der Räumungen deutlich – die mit dem Kampf gegen Seuchen und übergroße Bevölkerungsdichte begründet werden. Nicht nur Hütten seien dem Erdboden gleichgemacht worden, protestierte am Dienstag der Dachverband der in Somalia tätigen Hilfsorganisationen.
Aufgelistet wurden „21 Siedlungen, vier Schulen, ein Zentrum zum Kampf gegen sexualisierte Gewalt, ein Ernährungszentrum, drei Gemeinschaftszentren, 353 Kleinunternehmen vor allem von weiblichen Vertriebenen, 170 Latrinen, 26 Wasserstellen, neun Koranschulen und viele humanitäre Einrichtungen“. 5.807 Haushalte – das sind mindestens 35.000 Menschen – seien im Stadtteil Banadir betroffen.
Durchgeführt wurden die Räumungen den Berichten zufolge von Soldaten mit Bulldozern. Eigentlich soll Somalias Armee, die mit internationaler Hilfe mühevoll aufgebaut wird, die islamistischen Shabaab-Rebellen bekämpfen, vor denen zahlreiche Menschen nach Mogadischu geflohen sind. Stattdessen treibt sie die Leute zurück in Krieg und Elend.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Landesparteitag
Grünen-Spitze will „Vermieterführerschein“
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich