Solidemonstration in Neumünster: Über Puigdemont hinaus

Linke, Antifas, Katalanen: 100 Unterstützer kommen nach Neumünster, um gegen die Inhaftierung separatistischer Politiker zu demonstrieren.

Demonstranten mit Transparenten

So kann's gehen: Sie sind da, Puigdemont ist weg Foto: dpa

NEUMÜNSTER taz | In einer Wolke steigen die gelben Luftballons in den Himmel über Neumünster auf. „Llibertat!“, das katalanische Wort für Freiheit, und „Internationale Solidarität“, rufen die Menschen, die sich auf dem Marktplatz der Stadt in Schleswig-Holstein versammelt haben. Es sind vielleicht 100, die sich auf dem weiten Platz fast ein wenig verlieren.

Vermutlich wären sie mehr gewesen, wenn er noch in der Stadt wäre – er, „der Präsident“, wie viele der katalanischen Aktivisten Carles Puigdemont nennen. Zwölf Tage lang hat der ehemalige Regionalpräsident Kataloniens in Neumünster in Haft gesessen. Am Freitag wurde er entlassen und setzte sich nach einem kurzen Statement vor den Toren der Justizvollzugsanstalt in ein Auto, das ihn nach Berlin brachte. Statt mit dem Demonstranten zu marschieren, hält Puigdemont eine Pressekonferenz in Kreuzberg.

„Schon ein bisschen gemein“, sagt Pau, Katalane aus Barcelona, der heute in Hamburg lebt. „Einen Tag hätte er noch abwarten können.“ Als die Solidaritätskundgebung, die von Linken, Antifa und Aktivisten der ANC, der Katalanischen Nationalversammlung, getragen wurde, geplant wurde, war von Puigdemonts Freilassung noch nichts bekannt gewesen.

„Es sind weitere Politiker in Haft“

Auch Jordi, der extra aus Thüringen angereist ist, hätte sich eine Veranstaltung mit Puigdemont gewünscht: „Das wäre gut gewesen.“ Aber viele hatten Verständnis für die Entscheidung des Separatistenführers, aus der Provinz in die Hauptstadt zu wechseln: „Das für ihn wichtiger, er trifft da die Politiker“, meint eine Frau aus dem Örtchen Kremperheide in Schleswig-Holstein, Katalonien-Fan und Jordis Gastgeberin.

Jaume Castan, der in Dänemark an einer Universität Internationale Politik lehrt, ist mit seiner Freundin Claudia zur Demo angereist, die er – ob mit oder ohne Puigdemont – für wichtig hält: „Es sind weitere Politiker in Haft.“ Für deren Freilassung müsse es ein lautstarkes Signal geben. Dass das Schleswiger Oberlandesgericht den Vorwurf der Rebellion verworfen und Puigdemont unter Auflagen freigelassen hatte, nennt Castan einen „Schlag ins Gesicht“ für die spanische Regierung: „Damit haben sie nicht gerechnet.“

Politische Fragen seien nicht über die Kriminalisierung politischer Akteure zu lösen, sondern müssten demokratisch gelöst werden. Es sein nun wichtig, dass Europa sich einmische: „Die EU muss klarmachen, dass selbst ein braver Schüler wie der spanische Staat demokratische Regeln im Umgang mit Minderheiten und inneren Widerständen einhalten muss.“

Kritik an Luckes Puigdemont-Besuch

Zu denen, die im Demonstrationszug mitlaufen, gehören auch Gruppen der Antifa aus Neumünster und Kiel. Wie passt Antifa zu einem Politiker wie Puigdemont, der sich im Gefängnis ausgerechnet von AfD-Gründer Bernd Lucke besuchen ließ? Julian Schmidt von der Kieler Antifa verzieht das Gesicht. „Keine Frage, Carles Puigdemont ist bürgerlicher Politiker, für den allein ich hier nicht unbedingt demonstrieren müsste.“

Aber die katalanische Sache verdiene durchaus Solidarität, meint Schmidt: „Da sind viele lokale und linke Bewegungen beteiligt, die ein Gegengewicht zum Rechtsruck der europäischen Politik darstellen könnten.“ Aber Kritik, etwa über den Kontakt zu Lucke, sei berechtigt, so Schmidt.

Bernd Lucke verband mit seinem Besuch offenbar große mit kleiner Politik: Seine Partei der Liberal-Konservativen Reformer (LKR) steht in Neumünster aktuell im Kommunalwahlkampf, die Plakate der Mini-Partei säumen den Weg der Demonstranten vom Bahnhof bis zum Marktplatz.

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