: Solidarität zu Wasser und zu Land
Israels Marine stoppt ein Schiff mit Greta Thunberg an Bord. Die soll sich jetzt Videos über Massaker der Hamas ansehen. In Tunis startet ein Solimarsch, auch Richtung Gaza

Aus Jerusalem und Tunis Serena Bilanceri und Mirco Keilberth
Die Reise des Hilfsschiffs, mit der die schwedischen Aktivistin Greta Thunberg und ihre Mitstreiter*innen die Seeblockade vor Gaza brechen wollten, ging am Montag zu Ende. „Wenn ihr dieses Video seht, sind wir von israelischen Streitkräften in internationalen Gewässern abgefangen und entführt worden“, sagte Thunberg in einer voraufgezeichneten Videobotschaft, die auf Facebook veröffentlicht wurde.
Am frühen Nachmittag hatte sich in der Hafenstadt Aschdod laut Medienberichten ein kleiner Protest von Unterstützer*innen der Flotille gebildet. Das Schiff „Madleen“ war am 1. Juni aus Sizilien in See gestochen, um Hilfsgüter in den Gazastreifen zu bringen und Aufmerksamkeit auf die katastrophale humanitäre Lage in Gaza zu lenken. Israels Außenministerium schrieb am frühen Morgen auf X, Thunberg sei derzeit sicher und frohgemut auf dem Weg nach Israel, und postete ein Bild der Aktivistin, auf dem ihr ein*e israelische*r Soldat*in ein Brötchen reicht. Später teilte es mit, die „Selfiejacht“ fahre gerade in Richtung Israel, die Passagiere würden so schnell wie möglich in ihre Heimatländer zurückgebracht. Die Hilfsgüter an Bord will die Regierung nach Gaza senden.
Die NGO Freedom Flotilla Coalition, die die Reise mitorganisiert hatte, wirft Israel vor, das Schiff unrechtmäßig in internationalen Gewässern abgefangen und seine Besatzung entführt zu haben. „Israel hat keine legale Autorität, um die internationalen Ehrenamtlichen an Bord des ‚Madleen‘ festzunehmen“, so der Verein. Dem schloss sich die israelische NGO Adalah an. Das Schiff habe sich nicht in israelischen Gewässern befunden und sei auf einer Route unterwegs gewesen, die unter palästinensischer Seehoheit stehe. Die israelische Regierung ließ eine Presseanfrage diesbezüglich unbeantwortet.
Israels Verteidigungsminister Israel Katz hat angekündigt, dass die Aktivist*innen bei ihrer Ankunft in Israel gezwungen würden, ein Video des Massakers der Hamas vom 7. Oktober anzuschauen. Die „antisemitische Greta und ihre Hamas-Mitunterstützer*innen“ sollten sehen, wer die Hamas ist, „die sie unterstützen“, schrieb er auf X.
Karawane der Solidarität
Kurz zuvor hatten sich in der tunesischen Hauptstadt Aktivisten zu einer anderen Form der Solidaritätsbekundung versammelt. Ein Konvoi mit rund 1.700 Aktivisten aus nordafrikanischen Ländern, darunter etwa 200 aus Algerien, will mit einem Marsch nach Gaza nach eigenen Angaben auf die humanitäre Notlage in dem Küstengebiet aufmerksam machen und gegen Israels Angriffe im Gazakrieg protestieren.
Bereits um 4 Uhr morgens trafen die Ersten auf der noch leeren Avenue Mohamed V in Tunis ein. Eine Stunde später standen schon Hunderte Menschen Spalier und warteten mit Schlafsäcken, Reisetaschen, palästinensischen Fahnen und Strohhüten auf die zwölf Reisebusse, die von den Organisatoren der Soumoud-Bewegung gechartert worden waren, .
„Wir können nicht länger passiv zuschauen, wie die Bevölkerung in Gaza ausgehungert und vertrieben werden soll“, sagt Wael Naouar der taz. Er ist einer der Sprecher der Bewegung, die sich für ein Ende der Blockade und die Wiederaufnahme der Lebensmittelhilfe durch die Vereinten Nationen einsetzen will. Anders als zunächst geplant werden keine Lebensmittel oder Medikamente mitgenommen. „Die Lagerhäuser von Rafah sind ja bis zum Dach mit Vorräten gefüllt“, sagt Nabil Channoufi von Soumoud, „doch sie werden nicht verteilt. Das wollen wir ändern.“
Begonnen hatte die seit Monaten geplante Aktion bereits am Vortag in Algier, wo Hunderte Neugierige die Aktivisten auf ihrem Weg nach Tunis verabschiedeten. Die algerischen Aktivisten waren im tunesischen Beja in ähnlich gelassener Stimmung empfangen und mit Proviant versorgt worden. In Tunis wurden für sie Privatunterkünfte organisiert. Offizieller Start der internationalen Solidaritätskarawane ist Tunis, über Tripolis und Kairo geht es nach Ma’bar Rafah, der ägyptischen Seite des Grenzübergangs in den Gazastreifen.
Israel Katz, Verteidigungsminister
Auf der Pressekonferenz in den Räumen der Gewerkschaft UGGT zeigte sich Channoufi am Sonntag nicht nur über das große Echo der Aktion zufrieden. „Mich freut, dass in allen Gesellschaftsschichten und Berufsgruppen die Bereitschaft zu zivilem Widerstand weiterhin so groß ist.“ Es habe siebenmal mehr Anmeldungen als Plätze in den Bussen gegeben, so der Aktivist.
„Es tut gut, endlich aktiv sein zu können, wir sind wie die ganze Welt von den Horrorbildern aus Gaza traumatisiert“, sagt Mohamed, ein Rentner. „Ich will mir nicht vorwerfen müssen, einem Völkermord tatenlos zugeschaut zu haben.“ Das letzte Mal habe er 2011 eine solche Welle der Solidarität erlebt, ruft er durch die Menge, bevor er in einen der Busse einsteigt.
Ärzte, Journalisten, Ingenieure und Ärzte seien an Bord, sagt Wael Naour, in Kairo kämen Freiwillige aus 32 Ländern dazu. Die Dachorganisation Joint Action Coordination for Palestine hat mittlerweile in vielen Ländern Wurzeln geschlagen, es träfen immer mehr Anmeldungen ein. Wie man in Rafah gegen die Blockade vorgehen will, ist noch nicht klar, auf jeden Fall friedlich, sagen alle.
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