Solidarität in Wedding: Kieze trotzen Krise
Solidarische Stadtteilarbeit bietet angesichts der Corona-Epidemie Plattformen für Solidarität und gegenseitige Unterstützung.
„Die vielen prekär Selbstständigen und Scheinselbstständigen im Taxigewerbe bekommen noch nicht einmal Kurzarbeitergeld. Bislang stehen wir unsinnig herum, sind irgendwo zwischen denen, die zuhause bleiben sollen, und denen, die unbedingt arbeiten sollen, vergessen.“ Diese Zeilen eines 57-jährigen Berliner Taxifahrers sind unter der Rubrik „Reportagen der Solidarität“ auf der Homepage www.unverwertbar.org veröffentlicht.
Eingerichtet wurde die Webseite von der Stadtteilinitiative „Hände weg vom Wedding“ (HwvW), die schon in den vergangenen Jahren solidarische Stadtteilarbeit organisiert hat. Treffpunkt ist das nach einer Weddinger Anarchistin benannte Kiezhaus Agnes Reinhold in der Afrikanischen Straße 74.
Und auch in Zeiten von Corona liegt die solidarische Stadtteilarbeit im Wedding keinesfalls brach. Mitte März startete die Stadtteilinitiative die Kampagne „Solidarisches Wedding – gemeinsam gegen Corana“. Alexander Gorski von der AG Stadtteilarbeit bei HwvW beschreibt die ersten Schritte: „Zunächst haben wir in den sozialen Netzwerken Gruppen und Foren geschaffen, die im Falle einer Gefährdung oder notwendiger Quarantäne dem gegenseitigen Austausch von Menschen aus der direkten Nachbarschaft dienen und gegenseitige Hilfe erleichtern sollen.“ Weil vor allem ältere Menschen wenig über soziale Netzwerke kommunizieren, wurden Druckvorlagen für Fluraushänge in mehreren Sprachen erstellt und in den Weddinger Mietshäusern ausgehängt. Damit wird konkrete nachbarschaftliche Unterstützung etwa bei Einkäufen und Besorgungen angeboten.
Die große Resonanz im Stadtteil überraschte die StadtteilaktivistInnen. Aktuell zählt die von ihnen gegründete Telegramm-Gruppe 1.750, die Facebook-Gruppe 820 Mitglieder. Dabei verschweigt Gorski auch die Schwierigkeiten nicht. „An ein Plenum per Video muss man sich erst gewöhnen, und auch das Moderieren von Chatgruppen will gelernet sein“, berichtet er.
Im Projekt „Alltagserfahrungen von unten“, das ebenfalls von HwvW angeschoben wurde, werden Erfahrungsberichte von Menschen mit geringen Einkommen – wie des zitierten Taxifahrers – gesammelt, die berichten, wie sie in Zeiten der Corona-Krise über die Runde kommen. In der Rubrik melden sich auch Beschäftigte aus dem Pflege- und Gesundheitsbereich zu Wort und fordern bessere Arbeitsbedingungen und mehr finanzielle Mittel.
Gorski betont, dass die Stadtteilinitiative auch in der Corina-Krise politische Forderungen artikulieren will. Auch wenn die jährliche Weddinger Kiezdemo am 30. April wegen Corona wahrscheinlich ausfallen muss, proben die AktivistInnen neue Protestformen. So rufen sie für kommenden Samstag um 18 Uhr zur Teilnahme an der Fensterdemonstration gegen den Mietenwahnsinn und ein neoliberales Gesundheitssystem auf.
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