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Solidarität im Ukraine-Krieg„Viele Segler wollen helfen“

Der Bruder der Seglerin Anastasiya Winkel lebt in Kiew. Sie versucht, ihm und Freunden zu helfen. Das Trainingslager ist nun zweitrangig.

Organisiert Betten und Zugtickets: Seglerin Anastaiya Winkel Foto: Felix Diemer
Interview von Marie Gogoll

taz: Frau Winkel, können Sie sich gerade überhaupt aufs Training konzentrieren?

Anastasiya Winkel: Das Wasser ist der einzige Ort, an dem ich ein bisschen abschalten kann und die Gedanken auf etwas anderes lenken kann. Aber darum herum ist es schwierig.

Wie geht es Ihrer Familie in der Ukraine aktuell?

Mein Bruder ist in Kiew. Er schreibt nicht so oft, aber wenn er sich meldet, sagt er, es gehe ihm gut und ich solle mir keine Sorgen machen. Deswegen ist es schwierig, nachzuvollziehen, was bei ihm los ist. Aber ich kann ihn auch verstehen, meine Eltern rufen ihn ständig an. Die Situation verändert sich gerade ja nicht stark: Es gibt immer weniger Essen in den Supermärkten und er ist zu Hause oder im Keller, im Bunker.

Und der Rest Ihrer Familie?

Ich komme aus dem Osten und da ist schon seit acht Jahren keine richtige Ukraine mehr, sondern diese sogenannte unabhängige Republik. Und ausgerechnet da wird jetzt nicht mehr geschossen. Meine Eltern sagen, bei ihnen ist alles ruhig.

Haben Sie derzeit Kontakt zu anderen Sport­le­r*in­nen in der Ukraine?

Ja, mit einigen. Was sie erzählen, ist natürlich schwierig zu hören. Ich weiß von zwei Sportlern, die schon im Krieg gestorben sind, weil sie Waffen genommen haben und das Land schützen wollten.

Im Interview: Anastasiya Winkel

28, segelt beim Norddeutschen Regatta Verein und lebt in Kiel. Sie kommt aus der Ukraine, wo auch ihre Familie noch lebt. Winkler trainiert aktuell auf Mallorca für den Princesa Sofia Cup im April.

Gibt es Unterstützung für die Sport­le­r*in­nen von europäischen Verbänden?

Es gibt viel Solidarität in Europa. Viele Freunde von mir flüchten gerade und ich bin eigentlich die ganze Zeit damit beschäftigt, sie unterzubringen. Es gibt viele Menschen, die helfen wollen. Auch viele Segler.

Wie organisieren Sie diese Hilfe?

Leute fragen bei mir an und es spricht sich rum. Ich vermittle die Unterkünfte und buche Flüge und Züge. Das nimmt natürlich viel Zeit in Anspruch, aber im Moment ist das wichtiger als alles andere. Es gibt tatsächlich viele Angebote von Seglern in ganz Europa. Ich habe zum Beispiel schon vier Familien bei Segler-Familien in Spanien untergebracht. Jetzt wohnen mehrere Seglerinnen aus der Ukraine mit ihren Kindern bei Seglern in anderen europäischen Ländern.

Für eine Sportlerin sind normalerweise sportliche Erfolge entscheidend. Spielen die aktuell für Sie überhaupt irgendeine Rolle?

Ich merke, dass ich viel emotionaler auf dem Wasser bin. Ich reagiere ein bisschen gereizter auf etwas Negatives. Aber Erfolge und kleine positive Sachen sind schon schön und das lenkt ein bisschen ab.

Am 4. April starten die Rennen. Was hoffen Sie, wie die Situation in der Ukraine bis dahin ist?

Ich hätte mir nie vorstellen können, dass so was überhaupt passiert. Das ist alles wie ein schlechter Traum. Keine Ahnung, was passiert.

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