piwik no script img

Soldaten im StadtparkHannover kuschelt mit dem Militär

Beim großen "Sommerbiwak" der 1. Bundeswehr-Panzerdivison im hannoverschen Stadtpark ist die Stadt Mitveranstalter. Eine Gegenveranstaltung wurde untersagt.

Auf Kuschelkurs mit den Stadtvätern: Leopard-Panzer bei einer Übung. Bild: dpa

Als "Europas schönstes Gartenfest" bewirbt die 1. Panzerdivision der Bundeswehr etwas unbescheiden ihr 35. "Sommerbiwak", das sie am Freitagabend im hannoverschen Stadtpark veranstaltet. Erwartet werden mehr als 6.500 Gäste, darunter auch Bundesverteidigungsminister Franz-Josef Jung und der niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff (beide CDU). Doch obwohl das Militär mit dem rauschenden Fest zeigen will, dass es "sich in Hannover wohl und zu Hause fühlt", lässt es nur handverlesene Gäste in den Park hinein - Antimilitaristen machen seit Wochen gegen die Soldatenparty mobil.

1. Panzerdivision

Die 1. Panzerdivison ist ein Großverband der Bundeswehr mit rund 20.000 Soldaten, die überwiegend in Niedersachsen stationiert sind. Stabssitz ist Hannover. Sie stellt mehr als 90 Prozent des Heeres-Anteiles an den so genannten "Eingreifkräften" der Bundeswehr, die zu so genannten "friedenserzwingenden Maßnahmen" ins Ausland entsandt werden. Bei der Umstrukturierung der Bundeswehr zur mobilen "Kriseninterventionsarmee" kommt ihr eine zentrale Rolle zu. Die Division übernimmt zentrale Aufgaben innerhalb der Isaf-Truppen in Afghanistan und war unter anderem in Bosnien, dem Kosovo und Kambodscha im Einsatz. Insgesamt entsandte sie mehr als 7.500 Soldaten ins Ausland, rund 4.500 sind außerhalb Deutschlands stationiert. CJA

Hannovers Oberbürgermeister Stephan Weil (SPD) ist da ganz anders. In einem Grußwort freut er sich, dass "beste Laune garantiert" sei, wenn sich die "sprichwörtliche Sommerbiwak-Atmosphäre über den herrlichen Stadtpark lege". Dabei biete sich "in angenehmem Umfeld einmal mehr die Gelegenheit, die guten Kontakte zwischen Bundeswehr, Wirtschaft, Politik und Gesellschaft zu vertiefen". Weil setzt damit die Tradition seines Vorgängers Herbert Schmalstieg (SPD) fort. Der hatte 1983 eine Patenschaft zwischen der Landeshauptstadt und der 1. Panzerdivision übernommen. Die Kommune ist so auch Mitveranstalter des Biwaks, ebenso wie der staatliche Verkehrsverband GVH, der - neben Volkswagen und einer Brauerei - die Party sponsert.

Für soviel Unterstützung bedankt sich der Divisionskommandeur Wolfgang Langheld mit der Versicherung, das Militär gehöre in Hannover "zur Familie". Doch es handelt sich bestenfalls um eine Wahlfamilie, denn die 49 Euro teuren Karten für die schmissige Party kauft man nicht, man beantragt sie. Die Organisation des Biwaks hat die Agentur Event It aus Hannover übernommen. Welche Voraussetzungen man erfüllen muss, um auf der "Gala mit Tanz- und Showbands, Varieté, Militärorchester und internationalen Gaumenfreuden" Einlass zu finden? Es komme darauf an, wie "der Status" des Aspiranten in Hannover sei. Genauer: "Die Bundeswehr muss einen Zweck und Sinn darin sehen, dass man kommt", heißt es bei Event It.

Das sehen auch die Aktivisten des "Antimilitaristischen Aktionskreises" (AAK) so. Für sie ist das Biwak dazu da, damit die "gesellschaftlichen Eliten ihre aktive Unterstützung für das deutsche Militär demonstrieren". In einem Aufruf zu ihren Protestaktionen schreibt der AAK: "Wer also meint: ,Sollen sie doch besser feiern als Krieg führen, der irrt. Sie feiern, damit sie Krieg führen können!" Das Biwak stehe in einer Linie mit öffentliche Gelöbnissen und ähnlichen Veranstaltungen, mit denen sich die Bundeswehr als "kriegführende Armee in der Mitte der Gesellschaft" etablieren wolle.

Dass Bürgermeister Weil sich so vom Heer einspannen lässt, findet AAK-Sprecher Dierk Wittenberg "zynisch": "Hannover ist die einzige Landeshauptstadt, die derart innige Beziehungen zu einem Großverband der Bundeswehr pflegt - und ist gleichzeitig Partnerstadt von Hiroshima und Mitglied des BürgermeisterInnenverbandes ,Mayors für Peace'". Nachhaltig übel nehmen die Antimilitaristen der Division auch, dass sie im vergangenen Jahr beim G8-Gipfel in Heiligendamm eingesetzt wurde. Die "Fennek"-Spähpanzer, mit denen sensible Orte zum Schutz vor Demonstranten bewacht wurden, seien Teil der Militäreinheit gewesen.

Seit 2006 protestiert der AAK, an dem auch Attac und die Linkspartei beteiligt sind, vor den Toren des Stadtparks. Im letzten Jahr empfingen die Demonstranten die Biwak-Gäste mit Parolen, wie "saufen, saufen, fressen, fressen, ihr führt Kriege, schon vergessen" oder "Wehrkraftzersetzung jetzt sofort".

In diesem Jahr sollte es während des Biwaks auch eine "politisch-kulturelle Veranstaltung" im städtischen Kulturzentrum Lister Turm geben. Neben einer Vertreterin der "Ärzte zur Verhütung des Atomkriegs" und des "Netzwerks Friedenskooperative" sollte es auch um Themen wie die Zunahme von Uranmunition oder die Lage von Frauen im Afghanistan-Krieg gehen. Doch die Stadt mochte ihre Sympathien nicht aufteilen: Letzte Woche untersagte sie die Veranstaltung. Begründet worden sei dies gegenüber den Veranstaltern damit, dass der Lister Turm-Saal nur 240 Personen fasst, jedoch 600 Demonstranten erwartet würden. Das "Friedensbiwak" wird jetzt im Raschplatz-Pavillon am Bahnhof abgehalten. Der wird zwar auch städtisch finanziert, Hausherr ist aber ein soziokultureller Verein. Dieser werde wohl "Rede und Antwort stehen müssen," fürchtet das AAK.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!