Solarworld will Bosch kaufen: Solaraktivität günstig abzugeben
Im Sommer erst der Pleite entronnen, setzt die Bonner Firma Solarworld schon wieder auf Zukäufe. Jetzt muss nur noch das Kartellamt mitspielen.
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BERLIN taz | Die Solarworld AG expandiert schon wieder. Der Konzern will einen großen Teil der Solarfertigung der Robert Bosch GmbH im thüringischen Arnstadt übernehmen. Einen entsprechenden Vertrag unterzeichneten die beiden Firmen gestern.
Bosch hatte im März nach Milliardenverlusten bekannt gegeben, das Geschäftsfeld kristalline Photovoltaik werde aufgegeben. Seither hatte das Unternehmen nach einem Investor gesucht.
Frank Asbeck, Gründer und Chef von Solarworld, äußerte sich „sehr, sehr glücklich“ über die Übernahme. Er habe in der Betriebsversammlung am Vormittag „große Erleichterung“ aufseiten der Belegschaft erlebt. Für die rund 800 Mitarbeiter, die in Arnstadt Solarzellen und Module fertigen, soll es eine Beschäftigungsgarantie von zwei Jahren geben.
Durch die Übernahme der Zellfertigung mit einem jährlichen Produktionsvermögen von 700 Megawatt sowie der Modulfertigung von 200 Megawatt verfügt Solarworld künftig über Kapazitäten von mehr als einem Gigawatt über die drei Wertschöpfungsstufen Siliziumwafer, Zelle und Modul.
Der größte Produktionsstandort befindet sich seit dem Jahr 2000 im sächsischen Freiberg. Mit einem weiteren großen Fertigungsstandort rücke Solarworld nun als „Gigawattkonzern deutscher Prägung“ auf der Weltrangliste der Solarkonzerne auf Platz acht vor, sagte Asbeck. Damit schaffe man in Europa das nötige Gegengewicht zu Asien.
Neuer Antrieb für Energiewende
Selbstbewusst verkündete er gestern die weitere Firmenstrategie: Arnstadt werde zum Schwerpunktstandort für die Fertigung leistungsstarker 300-Watt-Module. Die deutsche Solarwirtschaft werde damit auch für die Politik wieder deutlich sichtbar. Der Energiewende werde dies neuen Antrieb geben.
Zum Kaufpreis der Werke in Arnstadt mitsamt Technikum, Verwaltung und Grund und Boden äußerte sich Asbeck nicht. Hoch kann der jedoch nicht sein, denn bereits im Januar hatte Bosch berichtet, seine Solaraktivitäten besäßen keinen buchhalterischen Restwert mehr.
Asbeck sagte während einer Telefonkonferenz lediglich, dass es in der Wirtschaft negative und positive Preise gebe und dass sich die Firma Bosch in den Verhandlungen als „honorig“ erwiesen habe. Entsprechend heißt es in einer Pflichtmitteilung des börsennotierten Konzerns: „Der Kauf wird die Finanzmittel der Solarworld AG nicht reduzieren.“
Die Transaktion überrascht, weil Solarworld selbst erst im August eine Insolvenz hatte abwenden können. Die Gläubiger von zwei Firmenanleihen verzichteten damals auf 55 Prozent ihrer Forderungen in Höhe von 550 Millionen Euro und akzeptieren stattdessen neue Aktien der Solarworld. Die Aktionäre nahmen einen Kapitalschnitt von 95 Prozent in Kauf.
Noch immer befindet sich Solarworld in einem Restrukturierungsprozess, der erst Mitte Februar abgeschlossen sein soll. Erst danach kann die Bosch-Transaktion in Arnstadt endgültig vollzogen werden – vorbehaltlich einer Zustimmung der Kartellbehörden.
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