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Softwarefehler führt zu ComputerabsturzDer Millennium-Bug ist wieder da

20 Jahre nach der Jahrtausendwende stürzen Computersysteme ab. Grund dafür sind Notlösungen, die das Problem nur aufschoben.

Im Jahr 2000 nicht ausgetauschte Computersysteme sind 2020 wieder anfällig für den Millennium-Bug Foto: united archives/imago

Berlin taz | „Die Zahlung mit Kreditkarte ist nicht erlaubt.“ Diese Meldung bekamen Nut­ze­r*in­nen in der Silvesternacht an rund 14.000 Parkautomaten in New York City angezeigt. Der Grund für den Fehler ist ein alter Bekannter. Nämlich das sogenannte Jahr-2000-Problem, auch Millennium-Bug genannt, der Ende der 1990er Jahre weltweit für Aufsehen sorgte.

Damals warnten IT-Spezialisten und Medien davor, dass Computer den Jahrtausendwechsel technisch nicht verarbeiten könnten. Viele ältere Systeme aus den 80er und 90er Jahren gaben das Datum anhand zweier Zahlen an, um Speicherplatz zu sparen. 1996 wurde so beispielsweise zu 96. Beim Wechsel ins Jahr 2000 war die Befürchtung, Computer würden 00 eher als 1900 und nicht als 2000 verstehen: der sogenannte Millennium-Bug.

Um flächendeckenden Ausfällen und Fehlfunktionen zuvorzukommen, investierten Ent­wick­le­r*in­nen und Firmen Ende des 20. Jahrhunderts deshalb 460 Milliarden US-Dollar in die Erneuerung ihrer Hard- und Software. Dabei schrieben viele Firmen und Ent­wick­le­r*in­nen ihren Programmcode aus Kostengründen aber nicht komplett neu, sondern entschieden sich für die kostengünstigere Variante „Windowing“.

Dieser einfache Softwaretrick führte dazu, dass die Rechner alle Daten zwischen 00 und 20 als Teil der 2000er Jahre einordnen. Rund 80 Prozent aller damals upgedateten Computer wurden Schätzungen zufolge mit „Windowing“ nur notdürftig geflickt, das Problem wurde also lediglich aufgeschoben. Bis zum ersten Januar dieses Jahres.

Wrestling-Computerspiel funktioniert nicht mehr

Denn bei vielen Geräten, die in den vergangenen 20 Jahren nicht ausgetauscht wurden, funktioniert seit Anfang dieses Jahres diese Softwarelösung nicht mehr und die Rechner sprangen zurück ins Jahr 1920 – so auch die eingangs erwähnten Parkuhren, die mit dem Datum nichts anfangen konnten. Dazu funktionierte ein Wrestling-Computerspiel kurzzeitig nicht und die Kassen der polnischen Firma Novitus druckten keine Belege mehr.

Auch das Hamburger U-Bahn-System soll wegen des Millennium-Bugs ausgefallen sein, offiziell bestätigt wurde das aber nicht. In Berlin lief die Software der Sparkasse und der Berliner Verkehrsbetriebe einwandfrei, sagten die Pressesprecher der taz.

Trotz der Aufrüstung der IT-Infrastruktur kam es zur Jahrtausendwende zu zahlreichen Problemen. Weltweit mussten 15 Atomkraftwerke vorsorglich abgestellt werden, auf Hawaii kam es zu Stromausfällen und in China funktionieren viele Behördenrechner nicht mehr.

„Hätte man damals die Software und Computer nicht aufgerüstet, die Auswirkungen wären deutlich schlimmer gewesen“, sagt Nir Oren der taz. Er ist Informatikprofessor an der Universität Aberdeen. Denn obwohl nur noch ein Bruchteil der damals eingesetzten Technik im Umlauf sei, treten immer noch Fehler auf, sagt Oren. Die damalige Aufregung um den Jahrtausendwechsel sei also keine Falschmeldung, sondern absolut legitim gewesen.

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9 Kommentare

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  • Wer ist denn so geizig und unverantwortlich, noch Hardware und Software, die mehr als 20 Jahre alt ist, einzusetzen? Nachhaltigkeit und Rohstoffe sparen in Ehren, aber nicht wenn man dabei sein eigenes Funktionieren und die Sicherheit anderer aufs Spiel setzt.



    Niemand ist gezwungen, sich alle drei Jahre, wenn die Systeme steuerlich abgeschrieben sind, neue Hardware und Software anzuschaffen. Das wäre eine grandiose Verschwendung von Ressourcen. Aber wenigstens die großen Technologiesprünge, die zumeist mit verbesserter Systemsicherheit einhergehen, sollte man im eigenen Interesse und damit man nicht unfreiwillig zur Viren- und Trojanerschleuder für andere wird, mitmachen.



    Und bei der Software-Auswahl sollte ein gleiches gelten: Zieht der Hersteller auch nach einer angemessenen Frist nicht mit und macht seine Software zu den aktuellen Betriebssystemversionen kompatibel, egal ob es sich nun um Win10, macOS Catalina oder die neueste Linux-Distro handelt, ist es Zeit, sich nach etwas anderem umzusehen.



    Es kann ja nicht sein, dass man als Anwender auf Sicherheitsfeautures verzichten und bewusst Risiken eingehen muss, weil das Softwarepaket ABC aus dem Hause XYZ nur z.B. unter Windows XP läuft. Ein Zeichen dafür, dass es höchste Zeit ist, die Zusammenarbeit mit dieser unseriösen Firma schnellstens zu beenden!

    • @Thierry Frenkel:

      Kleiner Hinweis: Es ist der Nachfolger von W2K.-)

      Das Neucompilieren einer Software für Windows 11 bringt überhaupt Nichts, wenn der Code den neuen 64-Bit-Zeitwert per Kompatibilitäts-API auf den zweistelligen Wert zusammengestaucht werden, bevor sie im nächsten Schritt auf 10 Bit erweitert werden.

    • @Thierry Frenkel:

      Das hat doch nichts mit Geiz oder Verantwortung zu tun!

      Es geht dabei um Komplexität und Kundenbindung. Stellen Sie sich vor, sie betreiben einen Onlineshop. Natürlich brauchen Sie dafür Software. Diese Software sollte ihnen natürlich jeglichen Komfort bieten: Lagerverwaltung, Kundenverwaltung, Statistiken, Rechnungen, Angebote, Meldungen ans Finanzamt etc.

      Sie werden sicherlich verstehen, dass im Laufe der Jahre solche Systeme unglaublich komplex werden. Gleichzeitig müssen sie aber regelmäßig gepflegt werden, da es gesetzliche Änderungen gibt, die beachtet werden müssen, z.B. DSGVO.

      de.wikipedia.org/wiki/Lines_of_Code



      Schauen Sie sich mal den Umfang von Betriebssystemen an. Windows XP hatte z.B. geschätzt 40 Millionen Zeilen Code. Ich schätze mal ein Entwickler schafft ungefähr 1.000 Zeilen produktiven Code am Tag.

      Und damit bringe ich es mal auf den Punkt. Sie haben als Softwarehersteller nur zwei Möglichkeiten: Entweder sie sagen dem Anwender, dass er die nächsten Jahre keine Updates bekommt, weil sie alles neu entwickeln müssen oder sie bauen solche Kniffe ein, um das Problem zu vertagen.

      Und wenn Sie jetzt denken, dass alles gut ist, nur weil sie das neuste Betriebssystem mit allen Updates auf ihrem Rechner haben und damit dem neusten Stand der Technologie entsprechen. Hören Sie auf damit! Manche Probleme werden nicht behoben, sondern geraten einfach in Vergessenheit.

      Oder denken Sie Microsoft hat den Treiber von Diskettenlaufwerken entfernt, nur weil es heute keine Diskettenlaufwerke mehr gibt? Nö, es könnte ja Kunden geben, die genau das noch brauchen...

      • @JanK:

        Man muß in den ertsen Lehrstunden "Programmierung in GW-BASIC" geschwänzt haben, wenn der Diskettentreiber zusätzliche Komplexität hervorruft. Es gibt eine API: Lese Sektor", "schreibe Sektor", "formatiere Spur" etc., das Meiste davon braucht eine SD-Karte ebenso, außer z.B. daß man die SD-Karte seltenst auf 1,7 MB überformatiert.

    • 9G
      90118 (Profil gelöscht)
      @Thierry Frenkel:

      ein parkscheinautomat sollte erst ausgetauscht werden, wenn er irreparabel ist.



      bis dahin sollte man eher bei den softwareupdates keine geizigen notlösungen einsetzen.

    • @Thierry Frenkel:

      Unsere Informatiker an der Uni sagen mir, es ist der Stromverbrauch. Ein 10 Jahre alter Desktop-PC zieht mehr Strom als sein Nachfolger von vor 5 Jahren kostet, insbes. wenn der gebraucht gekauft wurde.

      Altgeräte- selbst Röntgengeräte(!) die noch unter XP laufen, kriegen kein Update, sondern werden mit (teurer) ZusatzHardware von Aussen abgesichert, bis sie ihr Leben ausgehaucht haben. Das ist keineswegs günstiger, läuft bestenfalls auf das Gleiche hinaus.

      • @el presidente:

        Bei Röntgengeräten sollte der Verbrauch des PCs marginal sein.

      • @el presidente:

        Die Produktion verbrät jedoch noch mehr Strom (wie bei Autos).