Software-Update trotz Verdacht: VW schummelte zweimal
Als der Autokonzern schon unter Betrugsverdacht stand, spielte er ein Software-Update in den USA auf. Die US-Umweltbehörden sind not amused.
Neu an der Software war, dass auch die Stellung des Lenkrads erfasst wurde. Zu diesem Schluss kamen Informatik-Experten, die im Auftrag des NDR die Steuerungssoftware des US-Passat vor und nach der Überarbeitung untersucht haben.
Die kalifornische Umweltbehörde Carb hatte Volkswagen im Frühsommer 2014 aufgefordert, zu hohe Stickoxidwerte bei Dieselautos im Straßenbetrieb zu erklären. Die Wolfsburger hatten daraufhin Ende 2014, Anfang 2015 rund 500.000 betroffene Fahrzeuge in die Werkstätten gerufen. Bei einem Teil davon wurde das Software-Update aufgespielt. Bislang ist bekannt, dass die Wagen auch danach die Grenzwerte überschritten. Als die Umweltbehörde das merkte, intensivierte sie ihre Prüfung – und entdeckte die illegale Abschalteinrichtung.
„Das wird die Strafzahlungen beeinflussen, denn das zeigt die Haltung von VW von Anfang an, nicht mit uns zu kooperieren, um Schaden für die Umwelt abzuwenden“, sagte Carb-Sprecher Stanley Young am Freitag dem ARD-Morgenmagazin. VW äußerte sich nicht. Ein Sprecher sagte: „Der gesamte Themenkomplex wird derzeit intensiv untersucht. Vor Abschluss der internen und externen, unabhängigen Untersuchungen können wir hierzu jedoch keine Auskunft geben.“
Bundesregierung vertraut VW
Die Bundesregierung stellte sich indes hinter das Unternehmen: „Wir haben größtes Vertrauen, dass es die Aufklärung der ganzen Angelegenheit in bester Weise abwickelt und auch in den USA zu einem guten Ergebnis kommt“, sagte ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums in Berlin.
Bereits im Mai 2014 – und damit fast eineinhalb Jahre vor Bekanntwerden der Affäre um manipulierte Abgaswerte – wurde der damalige Vorstandschef Martin Winterkorn in einem Vermerk über Unregelmäßigkeiten bei Diesel-Motoren informiert. Nach VW-Darstellung ist unklar, ob er diese Notiz, die seiner umfangreichen Wochenendpost beigelegt war, überhaupt zur Kenntnis genommen hat.
Am 18. September vergangenen Jahres machte die US-Umweltbehörde EPA den Vorgang öffentlich. VW räumte die Manipulationen, die weltweit rund elf Millionen Fahrzeuge betreffen, daraufhin öffentlich ein. Dem Konzern drohen wegen Verstößen gegen US-Umweltgesetze hohe Strafzahlungen sowie Schadenersatzforderungen von Autohaltern und Anlegern.
Volkswagen plant im Zuge der Abgaskrise in Deutschland einen massiven Stellenabbau. In den Büro-Abteilungen solle die Zahl der Arbeitsplätze bis Ende 2017 um rund 3000 Stellen sinken, sagten zwei mit den Zusammenhängen vertraute Personen der Nachrichtenagentur Reuters am Donnerstag. Wegen der bei VW geltenden Beschäftigungssicherung solle niemand entlassen werden. Das Personal solle vielmehr durch Altersteilzeit, die Nichtbesetzung frei werdender Stellen und die Versetzung in andere Abteilungen verringert werden.
Insgesamt arbeiten bei VW in Westdeutschland rund 115.000 Mitarbeiter nach Haustarif, ein Drittel davon in Büro-Bereichen. Etwa zehn Prozent davon sollen wegfallen. Der Konzern äußerte sich nicht zur Zahl der geplanten Stellenstreichungen. Die Meldung führte auch zu Verwerfungen zwischen dem Land Niedersachsen als zweitgrößtem Anteilseigner und dem Autobauer. Wirtschaftsminister Olaf Lies, der wie Ministerpräsident Stephan Weil (beide SPD) im VW-Aufsichtsrat sitzt, ließ am Freitag über seinen Sprecher erklären: „Der Minister ist sehr verärgert über die Kommunikation bei VW; da werden spekulativ Zahlen in die Welt gesetzt, die offiziell nicht kommuniziert wurden.“
Lies war am Vorabend von der Opposition im niedersächsischen Landtag scharf attackiert worden, weil dem SPD-Politiker der geplante Abbau Tausender Stellen bei Volkswagen nicht bekannt war.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Ärzteschaft in Deutschland
Die Götter in Weiß und ihre Lobby
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid