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Söder will Wechsel im BundeskabinettDer Intrigantenstadl ist zurück

Johanna Roth
Kommentar von Johanna Roth

Markus Söder fordert ein jüngeres Bundeskabinett. An sich eine sinnvolle Forderung – wenn sie mal nicht so durchschaubar wäre.

Söder gibt erneut sein Intrigantenstadl zum Besten, das Seehofer einst den Parteivorsitz kostete Foto: Matthias Balk/dpa

E r kann’s nicht lassen. Markus Söder, bayerischer Ministerpräsident und Vorsitzender der CSU, hätte zur Koalitionshalbzeit gern ein personell erneuertes Bundeskabinett. „Frische Kräfte“ brauche es, sagte der CSU-Chef in der – wie sollte es anders sein – Bild am Sonntag: Bis zur Mitte des Jahres solle man das Kabinett „verjüngen und erneuern“.

An dem Punkt mit der Verjüngung lässt sich auf den ersten Blick im Grunde wenig meckern. Schließlich ist die fehlende politische Repräsentation junger Menschen in Deutschland ein eklatanter Missstand, der sich noch zu einem gewaltigen Problem für die demokratische Gesellschaft auswachsen könnte. Jungwähler*innen, das zeigt unter anderem eine Studie aus dem Jahr 2017, fühlen sich von der Politik immer weniger vertreten – dabei sind die Millennials durchaus politisch, wie nicht nur an den Fridays-for-Future-Demonstrationen zu beobachten ist.

Wenn Söders Vorschlag nur nicht so arg durchschaubar wäre. Denn auswechseln kann die CSU natürlich nur die eigenen Leute am Kabinettstisch. Einer davon: Horst Seehofer, ewiger Kontrahent Söders. Ihn gehen zu sehen, damit kann Söder offenbar nicht bis zur nächsten Wahl warten.

Dem Fachkräftemangel an der Spitze des Bundesverkehrsministeriums dagegen will er nicht entgegenwirken. Ausgerechnet Andreas Scheuer zu verschonen, der mit dem Maut-Untersuchungsausschuss seiner Partei gerade eine der größten Peinlichkeiten ihrer jüngeren Geschichte beschert, zeigt: Markus Söder geht es hier sicherlich weder um Inhalte noch um Kompetenz.

Im vergangenen Jahr hatte Söder gezeigt, dass er es versteht, auf der Welle zu surfen, die gerade am höchsten schäumt: Volksbegehren gegen das Bienensterben, Bäume umarmen, Bayern als Klimaschutzland – plötzlich liebten alle den „grünen Söder“, und das nicht zu Unrecht. Jetzt aber fällt er zurück in alte Verhaltensmuster und gibt erneut sein Intrigantenstadl zum Besten, das Seehofer einst den Parteivorsitz kostete. Geschickt ist das nicht. Die Schwesterpartei CDU wird sich für den Zugzwang bedanken.

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Johanna Roth
taz-Autorin
ist freie Korrespondentin in den USA und war bis Anfang 2020 taz-Redakteurin im Ressort Meinung+Diskussion. Davor: Deutsche Journalistenschule, Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bundestag, Literatur- und Politikstudium in Bamberg, Paris und Berlin, längerer Aufenthalt in Istanbul.
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3 Kommentare

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  • Hinweis: Die sog. Millennials sind nicht die um das Jahr 2000 geborenen, sondern die, die um das Jahr 2000 die Volljährigkeit errreicht haben. Im Jahr 2020 kann man sie ausserhalb des Vatikans nicht mehr mit Jugend assoziieren.

    en.wikipedia.org/w...nnials#Terminology

  • "Es geht vor allem um Inhalte. Für die Union muss das Thema Innovation und Wirtschaft an erster Stelle stehen. Im internationalen Vergleich beginnt Deutschland gegenüber den USA und China zurückzufallen. Da müssen wir deutlich zulegen und auf Augenhöhe mit der Weltbleiben."

    Na gut Markus, wenn es um Inhalte geht und du kannst nur die 3 Minister der CSU beeinflussen, dann ist dein geistiger Totalausfall Scheuer Andi der Erste von deinen Leuten der ausgewechselt werden sollte und wenn du schon dabei bist, nimm die Dorothee gleich auch runter.

    Nicht nur hat der Andi wahrscheinlich 560 Millionen Euro bei der Maut für entgangenen Gewinn, Kompensation der Beendigungskosten und Schadenersatz versenkt und deswegen einen Untersuchungsausschuss an der Hacke, PwC Legal vertritt die Bundesregierung auch nicht nur für Kost und Logis, nein der ist für die digitale Infrastruktur zuständig und auch dort ein Versager.

    Ihr seit übrigens seit 2009 im BMVI federführend, das habt also praktisch alles ihr verbockt.

    Bei der Abdeckung mit LTE, also 4G, nicht 5G, liegen wir mit 65,5% Flächenabdeckung auf Rang 70, in Europa ist die nur in Irland und Weißrussland schlechter.

    app.handelsblatt.c...kung/24875696.html

    Und ist das BMVI nicht auch für diese Erfolgsgeschichte DB zuständig...

  • Die vielschichtige Strategie des Kabinettverjüngerers

    Vielleicht unterschätzt die taz Söders vielfältige Wandlungsfähigkeit und seine strategische Fantasie. Mit einem "Rückfall in alte Verhaltensmuster" oder gar mit "Intrigantenstadl" ist dieser lautstarke Auftritt auf der Bühne der Bundespolitik zu einfach interpretiert.

    Er macht sich gerade mal so eben Merkels Kopf und zeigt damit zunächst an, dass er mit diesem Beitrag neue Diskussionen anleiern will und den Weiterbestand der Koalition durchaus nicht für ausgemacht hält. Er erhöht die Möglichkeit einer Regierungskrise.

    Aber auch so haut er in alle Richtungen. Ob er nur auf die "alten" Seehofer und Altmaier zielt, ist vielleicht auch zu kurz gedacht. Denn die Diskussion um neue Minister wird auch vor der SPD nicht halt machen.



    Da gibt es nämlich den Posten des SPD-Bundesfinanzministers, auf dem der "alte" Scholz durch den etwas jüngeren neuen SPD -Vorsitzenden Walter-Borjans abgelöst werden könnte.







    Nachdem der CSU-Chef bereits "grüner Söder" geworden ist, wird er jetzt vielleicht mit Hilfe eines ausgewiesenen Steuersünderjägers auch noch zum zum "roten Söder", der sich plötzlich echt um die Steuereinnahmen des Staates kümmert.

    Doch Spaß beiseite :



    Diese Änderung auch beim Koalitionspartner anzustoßen, hätte für den bayrischen Fernberater der Berliner Politik durchaus schicke Optionen

    1. Er drängt der SPD ein Thema auf, das sie wirklich nicht gebrauchen kann.



    2. Er würde bei Gelingen den neuen SPD-Chef in die Kabinettsdisziplin einbinden.



    3. Sollte NoWaBo (mit Söders Unterstützung) tatsächlich als neuer Finanzminister Milliarden bisher hinterzogener Steuern eintreiben, wäre dies ein dicker Pluspunkt für die GroKo.