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So klingt das ZDF

Bei einer europäischen Mediendesign-Konferenz diese Woche in Sevilla machten sich die zahlreichen Fernsehgestalter trotz Rezession wenig Sorgen. Denn die „Corporate Identity“ wird immer wichtiger

von WILFRIED B. URBE

Sevilla war für den ZDF-Designer Alex Hefter ein Erfolg. Auf dem wichtigsten Treff europäischer TV-Marketeers und Designer, der „Promax & BDA Europe Konferenz“, erhielt er für das neue Outfit des zweiten Programms, das bei seinem Start im letzten Sommer umstritten war, eine Auszeichnung. „Das vorherige Markenzeichen mit den beiden Ringen und der Kugel funktionierte markentechnisch nicht sehr gut“, erklärt Hefter den Relaunch, es transportiere „keine ZDF-spezifischen Inhalte“, und die Zuschauer orientierten sich nur an den drei bekannten Buchstaben. Jetzt dagegen könne man „kommunizieren, welche Kompetenzen, welche Inhalte und welche Genres wir transportieren.

Zur Renovierung des verstaubten Mainzer Senders gehört auch das neue „frische ZDF- Orange“, das endlich die dringend benötigte junge Zielgruppe ansprechen soll. Aber nicht nur visuell, sondern auch akustisch müssen sich die Broadcaster verstärkt präsentieren. „Jeder Sender, jede Sendung hat so was wie eine Titelmusik. Obwohl oder gerade weil diese ‚Vorspänner‘, ‚Station IDs‘ oder ‚Werbetrenner‘ nur wenige Sekunden kurz sind, ist die Arbeit sehr anspruchsvoll“, sagt Guido Craveiro vom Studio TV-Musik. Mittlerweile haben auch die TV-Verantwortlichen erkannt, wie wichtig die Audiogestaltung ist. Als Faustregel gilt: Sounddesign macht beim Fernsehen mindestens 50 Prozent der Wirkung aus. Besonders bei der Markenkommunikation spielt die Akustik eine wichtige Rolle, denn die Ohren sind immer offen, auch wenn die Augen geschlossen sind.

Insgesamt versuchen alle Sender sich mit riesigem Aufwand ein unverwechselbares Gesicht zu geben. Hunderte von Millionen Euro geben deutsche Fernsehanstalten dafür jedes Jahr aus – bisher. Denn, und das zeigte sich ganz deutlich in Sevilla, auch in diesem Medienbereich sitzt das Geld nicht mehr so locker wie früher. Die Kirch-Pleite, der Verlust von 750 Millionen Werbedollar in den USA im letzten Jahr oder das nahende Scheitern des englischen Digitalsenders On Digital erfüllen die Medienmacher mit Sorge. Ulrike Krieg, früher ARD-Designchefin, jetzt bei der Agentur DMC für Kunden wie den NDR oder den Kinderkanal zuständig, sagt dazu: „Das Geschäft hat allerdings auch wirklich übermäßig geboomt. Es gab eine Überkapazität am Markt, die jetzt abgebaut wird.“ Zudem können viele Zuschauer die Sender eben nicht an ihrem Design identifizieren, ebenso wenig am Programm – Klassenziel nicht erreicht. Ähnliche Inhalte und ähnliche Zielgruppen führen eben zu ähnlicher Verpackung, Krieg stellt sogar einen Stillstand auf dem deutschen Markt fest: „Alle nähern sich an, alles wird kopiert.“

Verblüffend sind die Ergebnisse aus der US-Medienforschung: Innerhalb der letzten zehn Jahre haben sich die TV-Zuschauer um 12 Prozent erhöht, das TV-Angebot aber um 1.000 Prozent. Also erfolgt ein Großteil aller Programmentscheidungen über das Zappen. Und so bleiben die Inhaber der Designschmieden trotz Einsparungen optimistisch, denn für einen bestimmten Qualitätsstandard greifen Sender gerne auf externe Agenturen zurück. Film-Deluxe-Geschäftsführer Jürgen Krause hat beobachtet, dass bei den Privaten die gestalterischen Maßnahmen mehr und mehr auf die großen Spielfilme abgestimmt werden. Wie bei der Kinowerbung prangte beispielsweise für „Die Mumie“ auf vielen Plakatflächen eine Abbildung des Untoten, versehen mit der Ankündigung „Abenteuer-Ostern auf RTL“.

Während sich in den Sendern und Produktionshäusern ganze Kompanien um das Erscheinungsbild der Sendeanstalten mühen, bleibt die Frage nach der Effektivität offen. Verlässliche Untersuchungen gibt es kaum. Werbeagenturchef Markus Schmidt: „Die Wahrnehmung von Design und Promotion als Raster, in dem man sich zurechtfindet, geschieht eher unbewusst.“ In letzter Zeit ist allerdings ein Abnutzungseffekt zu beobachten. Carmen Alzner, Leiterin des Branchenverbands Promax & BDA, meint dazu: „Von Jahr zu Jahr gibt es immer mehr Kampagnen. Umso schwieriger wird es, die Zuschauer zu erreichen. Ich glaube, dass wir den Zuschauer zum Teil vielleicht auch schon resistent gemacht haben. Das Publikum hat eine Begabung entwickelt, bei unklarer Kommunikation sofort auszublenden.“ In Sevilla jedenfalls schnitten Deutsche mit 15 Auszeichnungen bei den Branchen-Oscars im internationalen Vergleich gut ab.

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