Snowdens Nähe zu deutschen Medien: Edward and ze Germans
Edward Snowden empfängt gern deutsche Journalisten, sein Aktivistenumfeld sucht die Kooperation mit deutschen Redaktionen. Warum eigentlich?
BERLIN taz | Hubert Seipel ist ein mehrfach ausgezeichneter, gestandener Journalist. Gerade erst sprach er in Moskau für den NDR mit Edward Snowden. Auch Georg Mascolo ist ein Journalist von Format. Der frühere Spiegel-Chef war neulich mit Grünen-MdB Christian Ströbele bei Snowden. Mit am Tisch saß der Journalist John Goetz, der ebenfalls für den NDR arbeitet.
Ganz offenbar ist der US-Whistleblower im russischen Asyl besonders offen für Gäste aus Deutschland. Im NDR-Interview hat Snowden nun deutlich gemacht, dass er von sich aus keine weiteren Enthüllungen plant – sondern auf die Kraft des Journalismus setzt. Was hat er da aus Deutschland zu erwarten?
Zwar ist der Exklusivitätsgehalt deutscher Medien in Sachen NSA – etwa im Vergleich zum britischen Guardian oder der US-amerikanischen Washington Post – weitgehend irrelevant. Dennoch ist offensichtlich, dass Snowdens Umfeld ganz besonders die Kooperation mit deutschen Journalisten sucht.
Das hat einen einfachen Grund: Für Edward Snowden und seine Unterstützer sind die starken Bürgerrechts- und Datenschutzbewegungen in der Bundesrepublik – insbesondere die Netzwerke des Chaos Computer Clubs – besonders interessant. Hinzu kommt die sensibilisierte deutsche Öffentlichkeit. Beide bieten dem Umfeld des Aktivisten bereits seit Monaten Schutz in deutschen Städten.
Unterschlupf in Berlin
Zahlreiche Datenschutzaktivisten von internationalem Rang – wie etwa Verschlüsselungsaktivist Jacob Appelbaum oder der Snowden-Rechtsbeistand Sarah Harrison – haben in Berlin Unterschlupf gefunden. Gleichzeitig arbeiten die besten deutschen Abteilungen für investigativen Journalismus daran, ihre Kompetenzen in Sachen Überwachung auszubauen. Dass das gerechtfertigt sein dürfte, zeigt die Einschaltquote, die das Snowden-Interview am Sonntagabend um 23 Uhr erzielte. Trotz der späten Stunde schauten zwei Millionen Menschen zu.
Deutsche Medien kommen dem Snowden-Umfeld auf unkonventionellen Wegen entgegen. Jacob Appelbaum etwa schreibt im Hamburger Spiegel. Der Deal lautete offenbar: Du gibst uns Material – und wir geben dir den Schutz, den Journalisten in Deutschland genießen. Auch die Filmemacherin Laura Poitras, die Snowden für die alternative Weihnachtsbotschaft des britischen Channel 4 befragte, taucht regelmäßig als Autorin des Nachrichtenmagazins auf.
Der Deal hat einen Hintergrund: In der Spiegel-Zentrale wird mit viel Interesse beachtet, was die Konkurrenz so treibt. Die sitzt vor allem beim NDR und der Süddeutschen Zeitung – und hat in den letzten Jahren bei investigativen Recherchen ein neues Prinzip angewandt: Kooperation statt Konkurrenz.
Offshore-Leaks und geheimer Krieg
Seit 2011 kooperieren Süddeutsche und NDR bei aufwendigen Recherchen. Unter dem Stichwort Offshore-Leaks veröffentlichten beide zuletzt Ergebnisse zu einem globalen Netz von Steuerhinterziehern. Exklusives Material lieferte der Verbund auch zu „geheimen Kriegen“, die in Deutschland geplant würden. Nun vermeldet das Team einen neuen Coup: Ex-Spiegel-Chef Mascolo soll die Kooperation künftig leiten und ausbauen. Auch der WDR steigt in die Recherchen mit ein.
Das ist eine deutliche Kampfansage an den Spiegel, der zuletzt wieder mit seichten Geschichten über Kopfschmerzen und Computerspiele sein Titelblatt bestückte – und genau jenes Zeichen, das in der Hackerszene interessiert zur Kenntnis genommen wird. Dort hat man seit langem erkannt, dass viele Rechercheure mehr entdecken können als wenige. Und dass häufig nicht die großen Namen, sondern professionelle Verbünde die Erfolge ausmachen.
Auch das dürfte ein Grund sein, weshalb der Spiegel bislang noch nicht bei Snowden in Moskau war – während der NDR dort gern gesehen wird. Welche exklusiven Geschichten dabei herauskommen? Das steht auf einem anderen Blatt.
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