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Smartphones bleiben ÖkomonsterReparierbarkeit? Zero Points

Mehrere Mobilfunkprovider wollen ab kommender Woche Smartphones mit einem Nachhaltigkeits-Label bewerten. Das klingt besser als es ist.

Smart – aber nicht nachhaltig Foto: dpa

O bwohl wir in einer Zeit leben, die eine Tendenz zum Informationsüberfluss hat, gibt es immer noch diese drängenden, unbeantworteten Fragen: Wird es heute Abend um sieben oder schon nachmittags um fünf regnen? Welcher ist der beste Spargelschäler? Und: Ist die Ökobilanz des Huawei Mate X2 oder die des Samsung Galaxy A51 weniger schlecht?

Dieser Frage haben sich nun europäische Mobilfunkprovider angenommen. Mithilfe von Labels wollen sie ab dem 1. Juni potenzielle Kun­d:in­nen darüber informieren, wie nachhaltig die angebotenen Smartphones sind. Je näher in Richtung 100 Punkte, desto besser ist ein Gerät beispielsweise reparier- und die Materialien recycelbar, desto langlebiger der Akku und desto länger gibt es Updates. Sprich: Desto geringer sind die negativen Auswirkungen auf die Umwelt, die mit Herstellung, Nutzung und Entsorgung einhergehen.

Eine super Idee? Klingt erst mal danach. Aber. Erstens setzen die Mobilfunkanbieter für die Bewertung auf Informationen, die von den Herstellern selbst zur Verfügung gestellt werden. Und die leider häufig nicht so richtig verlässlich sind.

Zum Beispiel in Sachen Updates: Da versprechen Produzenten von Android-Geräten mitunter mehr, als sie in der Realität liefern. Das Bereitstellen von Sicherheitsupdates ist aber ein essenzieller Faktor für die Nutzungsdauer. Auf einem Telefon mit potenziellen Sicherheitslücken sollte man nichts mehr tun, was irgendetwas mit persönlichen Daten zu tun hat. Kein Banking, keine Messenger- oder Social-Media-Apps.

Zum Beispiel Apple

Zweitens: Wichtige Hersteller fehlen. Zum Beispiel Apple. Das sind die, die in ihre iPhones spezielle Schrauben einbauen, damit Nut­ze­r:in­nen die Geräte nicht mit einem handelsüblichen Schraubendreher öffnen können. Reparierbarkeit? Zero Points. Und die sich vehement gegen einen Standardanschluss für Ladegeräte wehren.

Was uns zu Problem drei bringt: Ja, nett, dass die Mobilfunkanbieter hier eine Bewertung bieten, die vom Gesetzgeber längst hätte vorgeschrieben werden sollen. Aber: Die Zeiten, in denen man ruhigen Gewissens auf Labels setzen und die Verantwortung an die Kun­d:in­nen delegieren konnte, sind nun wirklich vorbei.

Was wir brauchen: Verpflichtungen. Für einen Mindestzeitraum, in dem Hersteller Updates liefern müssen, für das Verwenden recycelter Materialien, für universelle Anschlüsse, für einfache Reparierbarkeit. Sonst sind ein paar vergebene Punkte nicht mehr als ein Feigenblatt aus unechtem Grün.

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Redakteurin für Wirtschaft und Umwelt
schreibt über vernetzte Welten, digitale Wirtschaft und lange Wörter (Datenschutz-Grundverordnung, Plattformökonomie, Nutzungsbedingungen). Manchmal und wenn es die Saison zulässt, auch über alte Apfelsorten. Bevor sie zur taz kam, hat sie unter anderem für den MDR als Multimedia-Redakteurin gearbeitet. Autorin der Kolumne Digitalozän.
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9 Kommentare

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  • Mir ist noch kein Android-Smartphone über den Weg gelaufen, das über 5 Jahre zuverlässig mit Updates versorgt wird und für das man nach 5 Jahren Nutzungsdauer beim Eintausch gegen ein neues noch eine akzeptable Gutschrift bekommt.

    Sollte es so etwas jemals geben, bin ich für einen Hinweis dankbar...

  • An der Stelle könnt ihr ruhig mal das Fairphone erwähnen. Nach Selbstaussage noch keine 100 Punkte, aber sicherlich das nachhaltigste Smartphone der Welt ... (ich kenne die Details zu wenig, um eine Prozentangabe zu machen ...). V.a. da das Modell 3 langsam dauereinsatztauglich ist ...



    Gruß,



    E.



    www.fairphone.com/de/

    • @Eokdipl:

      Mensch kann auch gebrauchte, aufgearbeitete Smartphones kaufen, das eigene Smartphone reparieren lassen, deren Akku austauschen lassen bzw. dies auch selbst machen - auf youtube bspw. gibt es dazu einige Tutorials ...

      • @Uranus:

        Ja genau, ich habe bisher nur aufgearbeitete smartphones besessen. klappt super. mittlerweile kauft die ganze familie über backmarket

        • @susonne:

          Ja, eben. :-) Zumal das ja viel Geld verschlingt, womöglich geklaut wird oder alsbald herunterfällt/kaputt geht (wenn mensch keine gute Hülle+Displayschutz zukauft). Des weiteren ist es meist ein zusätzliches Gerät zu Fernseher, Konsole, Laptop usw.. Ressourcenverschwendung. Dieses ständige Neukaufen kann ich nicht nachvollziehen.

          • @Uranus:

            *Zumal das regelmäßige Neukaufen ja viel ...

  • Danke, Frau Bergt, für Ihren unermüdlichen Einsatz gegen den Wegwerfschrott!

    Zum Beispiel Apple, dessen Nutzer sich 'hip' wähnen, die einst ein TAZ-Kommentator m.E. zutreffender als 'Religionsgemeinschaft von Technik-Dummies' bezeichnet hatte:

    'These are AirPods. They’re a collection of atoms born at the dawn of the universe, churned beneath the surface of the earth, and condensed in an anthropogenic parallel to the Big Crunch—a proposed version of the death of the universe where all matter shrinks and condenses together. Workers are paid unlivable wages in more than a dozen countries to make this product possible. Then it’s sold by Apple, the world’s first trillion-dollar company, for $159 USD.

    For roughly 18 months, AirPods play music, or podcasts, or make phone calls. Then the lithium-ion batteries will stop holding much of a charge, and the AirPods will slowly become unusable. They can’t be repaired because they're glued together. They can’t be thrown out, or else the lithium-ion battery may start a fire in the garbage compactor. They can’t be easily recycled, because there’s no safe way to separate the lithium-ion battery from the plastic shell. Instead, the AirPods sit in your drawer forever.

    Kyle Wiens, CEO of iFixit, which does electronics teardowns and sells repair tools and parts, told Motherboard that AirPods are “evil".' [1]

    Einer, der die Apfel Produkte in- und auswendig kennt, weil er sie repariert, Louis Rossmann, teilt nicht wirklich den hippen Enthusiamus: "The horrible truth about Apple's repeated engineering failures." [2]

    [1] www.vice.com/en/ar...pods-are-a-tragedy

    [2] www.youtube.com/watch?v=AUaJ8pDlxi8

  • 0G
    0103 (Profil gelöscht)

    Selbst wenn die Smartphones im Rahmen der Möglichkeiten etwas "nachhaltiger" produziert würden bleiben sie eine absolute Katastrophe. Das liegt schon daran, dass sie, selbst wenn die Hardware einigermaßen hält, in kürzester Zeit durch die Software obsolet werden. Das liegt zum einen an den fehlenden Security-Updates, zum anderen aber auch an der rapide sinkenden Software-Qualität. Apps werden (aus wirtschaftlich nachvollziehbaren Gründen) nur für die aktuellsten Systeme gepflegt. Wenige Jahre alte Mittelklasse-Telefone sind oft kaum noch in der Lage interaktive Websites darzustellen. Wer schon einmal die npm-Abhängigkeitshölle gesehen hat weiß warum. Womit wir bei der Software-Krise wären, in der wir seit den 60er Jahren stecken, auch wenn das keiner mehr wahrhaben möchte. Schließlich haben wir uns inzwischen komplett abhängig gemacht von Technologien die niemand beherrscht und die vor allem von denjenigen geprägt werden, die entweder ihre Komplexität nicht verstehen oder sich nicht im geringsten um die Konsequenzen ihres Handelns kümmern. Und weil wir diesen Leuten freie Hand lassen übertrumpft ein Experiment wie der Bitcoin, dessen einziger Nutzen die Spekulation ist, mit der von ihm ausgelösten Ressourcenschlacht (nicht nur Energieverbrauch, auch die Miner-Hardware muss möglichst billig und in großen Mengen produziert werden) mal eben sämtliche hart erkämpften Einsparungen aus Jahrzehnten. Die Gesellschaft und insbesondere die linken und ökologischen Gruppen haben offenbar noch nicht einmal im Ansatz begriffen wie nachhaltig die Entwicklungen im Software-Bereich Einfluss auf unser Leben haben und in Zukunft haben werden. In Anbetracht der Hypes um "Blockchains", "Künstliche Intelligenz" und der völlig planlosen Debattenführung um "Algorithmen" bezweifel ich auch sehr stark dass eine Gesellschaft in der Lage ist solch abstrakte Themen zu diskutieren, wodurch weiter ein kleine Gruppe von Unternehmern über unsere Zukunft entscheiden wird.