Slowakei und Mord an Ján Kuciak: Hoffnung im Sumpf
Präsidentin Zuzana Čaputová wird verehrt als Lichtgestalt einer neuen Slowakei. Doch auch für sie wird es schwer, gegen alte Strukturen anzukommen.
G anz Europa ist entzückt von Zuzana Čaputová: Frau, Mutter, Menschenrechtsanwältin, zivilgesellschaftliche Aktivistin. Ihre Blitzkarriere von den Antiregierungsdemonstrationen nach dem Mord an dem Journalisten Ján Kuciak ins slowakische Präsidentenamt gleicht einem Märchen.
Kaum im Amt, wird sie verehrt als Lichtgestalt einer neuen basisdemokratischen Slowakei. Die Wiederkehr Václav Havels, die Zukunft Europas. So wird Čaputová seit ihrem Sieg in den Präsidentschaftswahlen im vergangenen Frühjahr verehrt.
In Märchen ist es allerdings so, dass die böse Hexe schon im Ofen steckt oder die garstige Stiefmutter ihr verdientes Ende gefunden hat, bevor die Prinzessin aus dem Zauberschlaf erwacht oder der Frosch sich als Prinz entpuppt. Das wahre Leben ist da weniger märchenhaft. Die Frösche wollen weder zu Prinzen mutieren noch ihren Sumpf aufgeben. Was sich in dessen Tiefen verbirgt, könnte ein Erdbeben im Land auslösen, wenn es an die Oberfläche gelangt.
Zuzana Čaputová kann da als Präsidentin nicht viel mehr ausrichten, als einen hoffnungsfroh hellen Nebel über diesem Sumpf auszubreiten. Korrupte Politiker, betrügerische Oligarchen, postkommunistische Unternehmer, die durch Jahre des Schwarzhandels gewieft wurden, sind dadurch aber kaum in ihrem Habitat bedrängt.
Vielleicht aber wird Čaputová einmal als Gallionsfigur einer neuen Slowakei, als weiblicher Václav Havel des Postkommunismus in die Geschichte eingehen. Vielleicht bleibt sie eine potemkinsche Präsidentin, die die Sehnsüchte der slowakischen Zivilgesellschaft repräsentiert, ohne sie verwirklichen zu können. Alles ist offen.
Zumindest bis Februar, wenn die Slowaken einen neuen Nationalrat wählen. Dann wird es ums Ganze gehen. Und die alten Strukturen sind schon eifrig am Werkeln. Eine neue Partei ist in Arbeit, die das Koalitionspotenzial des Sumpfs erweitern will, angeführt von Štefan Harabin, der als Kopf der Justizmafia des Landes gilt. Ob Čaputovás Strahlen da genügen werden, bleibt abzuwarten.
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