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Skandale bei der LachszuchtVerendeter Fisch als Premium-Lachs

Lachszucht ist eine Goldgrube, vor allem, je weniger Rücksicht auf das Tierwohl genommen wird. Doch die Branche verliert nun KundInnen

Fischfarm in Island Foto: Paul Mayall/picture alliance

taz | Stockholm „Das sind haarsträubende Zahlen und das ist wirklich eine enorme Tragödie“, sagt Ingólfur Ásgeirsson von der isländischen Naturschutzorganisation Icelandic Wildlife Fund: „So eine Tierquälerei haben wir hier noch nie zuvor gesehen.“ Er ist nicht der Einzige, der sich empört. Tausende IsländerInnen machten kürzlich bei einer Demonstration vor dem Parlament in Reykjavík ihrem Unmut darüber Luft, wie die Massentierhaltung in den Lachszuchtkäfigen vor der Küste ihres Landes ganz im Gegensatz zu den idyllischen Bildern, die die Werbung suggeriert, in Wirklichkeit aussieht.

In den Zuchtanlagen der norwegischen Konzerne Mowi und Salmar waren in den vergangenen Wochen rund eine Million Zuchtlachse von der Lachslaus befallen worden. Einem acht bis zwölf Millimeter langen Parasit, der von Haut und Blut der Lachse lebt. In den Aufzuchtkäfigen, in denen die Tiere zusammengepfercht vegetieren, verbreitet sich der Parasit schnell und frisst die Lachse praktisch bei lebendigem Leib auf.

Im westisländischen Tálknafjörður seien bei Stichproben in den Käfigen des zu Mowi, dem weltweit größten Lachsproduzenten, gehörenden Unternehmens Arctic Fisk durchschnittlich 96 Lachsläuse pro Tier und in denen von Arnarlax, das zur norwegischen Salmar gehört, 62,5 gezählt worden, konnte das investigative Magazin Heimildin am Freitag vorletzter Woche berichten.

Die Lachsläuse sind mutiert

„Schlimmer kann es eigentlich nicht werden“, erklärte Berglind Helga Bergsdóttir, Fischspezialistin der isländischen Lebensmittel- und Veterinärbehörde MAST: Man sei überrascht worden, wie schnell die Lachslaus sich ausgebreitet habe. Nach der Behandlung mit einem Bekämpfungsmittel habe sich der Befall sogar noch erhöht. Womöglich sei es zu einer Mutation gekommen.

Ursprünglich war man in Island davon ausgegangen, dass dieser Parasit im kalten Wasser der dortigen Fjorde kein Problem werden würde. Die Genehmigungsbehörde hatte deshalb auch keine speziellen Vorschriften erlassen, welche Maßnahmen in einem solchen Fall ergriffen werden sollten. Islands nationaler Rechnungshof hatte jedoch Anfang des Jahres die mangelnde Regulierung und die fehlende Kontrolle bei der Lachszucht moniert.

Der Umsatz der isländischen Aquakulturbranche ist gleichzeitig in den letzten zehn Jahren um rund das Vierzigfache gewachsen. Die aktuelle Produktion liegt bei jährlich etwa 50.000 Tonnen, Lizenzen für eine Produktion von fast 100.000 Tonnen sind bereits erteilt worden.

Im Vergleich zu Norwegen, wo im vergangenen Jahr 1,4 Millionen Tonnen produziert wurden, ist das zwar relativ wenig, aber für die norwegischen Firmen, die sich auf der Nordatlantikinsel engagiert und sich dort Tochtergesellschaften zugelegt haben, ist die Vermarktung unter dem Label „Lachs aus Island“ offenbar attraktiv – oder war es bislang zumindest.

In Norwegen stirbt jeder vierte Lachs vor der Schlachtung

Zuchtlachs aus Norwegen hat nämlich angesichts immer neuer Horrormeldungen über die Behandlung der Tiere schon seit längerer Zeit bei einer wachsenden Zahl von VerbraucherInnen keinen guten Ruf mehr. Das Tierwohl wird so missachtet, dass als Folge laut offiziellen Zahlen im Schnitt der letzten fünf Jahre jeder sechste – in manchen Anlagen jeder vierte – Lachs schon vor der Schlachtung verendete. 2022 waren das 58 Millionen und rechnet man die Brutstationen dazu, 92,3 Millionen Lachse.

Erst in der vergangenen Woche meldete das norwegische Fernsehen NRK unter Berufung auf interne „Mattilsynet“-Papiere, dass mehrere Zehntausend Kilo verendetes Lachsfleisch einer anderen Anlage tatsächlich als „Premium-Lachs“ exportiert wurden. Die staatliche norwegische Verbraucherorganisation Forbrukerrådet fordert jetzt eine Art Gesundheitszeugnis.

Doch die Branchenorganisation Sjømat Norge argumentiert, dass entsprechende Informationen ohne Bedeutung für KonsumentInnen seien, da der Verzehr dieser Ware ja keine Ansteckungsgefahr für Menschen mit sich bringe.

Manche Restaurants in Island und Norwegen hätten norwegischen Zuchtlachs ganz von der Speisekarte genommen, meldete High North News und meint: Wenn die Branche sich damit verteidigen müsse, dass das Essen von kranken Tieren nicht gesundheitsschädlich sei, wäre dies ein Armutszeugnis.

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9 Kommentare

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  • Bereits seit Jahren gibt es ähnliche Berichte über Lachsfarmen. Der "Verbraucher" könnte längst gewarnt sein, - wenn er denn wollte. Lachsfarmen stehen für die normale Problematik in der Massentierhaltung. Zusätzlich haben Krankheiten und Medikamentencocktail freien Zugang zum Meer.



    Wenn die privilegierte Menschheit verendeten Fisch vorgesetzt bekommt, ist das eigentlich nur gerecht. Schließlich arbeitet sie seit Jahren daran, dass bald gar kein Fisch mehr da ist, - auch nicht für all jene Lebewesen, die ihren Bedarf nicht im Supermarkt stillen können.

  • Das gilt für jede Art von Massentierhaltung. In jedem Aspekt.

    Zuchtlachs ist die Spitze der Perversion. In ?Norwegen? wurden mal Warnmeldungen zur Wasserqualität rausgegeben an die Anrainer eines Flusses, weil mit Antibiotika überfrachtete Lachse massenhaft aus einer Zuchstation entkommen sind und den Fluss raufwanderten.

    Lachszucht hat nur den kleinen "Vorteil", dass man die nun fast gar nicht mehr sieht und die Nachteile sehr einfach ausblenden kann.

  • Ich habe schon längst aufgehört, Lachs zu essen.

    Der Appetit ist mir vergangen.

    • @tomás zerolo:

      Ach was! ©️ Vagel Bülow zum 💯!

      Wie passend - bewunderte er doch einst “ …ist es den Norwegern gelungen; rosa Hühnchen 🍗 unter Wasser zu züchten“

      Na Mahlzeit



      (zu StatOil ein andermal - Gelle Sven 🚣‍♀️)

  • "Wenn die Branche sich damit verteidigen müsse, dass das Essen von kranken Tieren nicht gesundheitsschädlich sei, wäre dies ein Armutszeugnis."



    Das erinnert an andere Skandale der industrialisierten Herstellung von Lebensmitteln und die Vermarktung unappetitlicher Produkte aus Gammelfleisch.



    Vertrauen ist eben nicht immer gut und Kontrollen bestätigen das auch immer wieder.



    Und die Information der VerbraucherInnen ist der Schlüssel, insofern Lob an die taz.



    /



    sueddeutsche.de 2010 zu Ekelfleisch und Kontrollen



    "Scharfe Kritik übte Präsidiumsmitglied Beckmann im ZDF auch am Staatssekretär im Verbraucherschutzministerium, Gerd Lindemann, der die Kontrollmechanismen gegen Gammelfleisch gelobt hatte. "Das ist ja lächerlich", sagte Beckmann. In Deutschland werde lediglich jeder zweite Betrieb kontrolliert, jeder fünfte falle bei Prüfungen auf.



    Der Lebensmittelhygieniker verwies auf die hohe Beanstandungsquote bei Döner-Fleisch, die seit Jahren zwischen 40 und 75 Prozent liege.

    • @Martin Rees:

      Noch eine Anmerkung zu den Verhältnisse der Erzeugung von Lebensmitteln aus Fisch:



      Aus dem ÖR-Archiv:



      "Fisch ist gesund. Das hat der deutsche Verbraucher über Jahre gelernt. Fast 16 Kilo verzehrt er mittlerweile pro Jahr. Einer der beliebtesten Speisefische der vergangenen Jahre ist der Pangasius."



      Genaueres:



      www.daserste.de/in...ius-luege-100.html



      /



      ?Aber echte Alternativen: aus ÖkoTest 2023



      "Fischstäbchen ohne Fisch sind neu. Zumindest stecken in den veganen Stäbchen seltener Fettschadstoffe als im tierischen Original. Trotzdem sind nur zwei Produkte mit "gut" empfehlenswert, alle anderen schneiden schlechter ab. Was ist da los?"



      www.oekotest.de/es...swert_14032_1.html



      /



      "Gemüse ist mein Fleisch" ist offenbar gesünder als umgekehrt.

  • Lachs galt ja als das für die Gesundheit ideale Fleisch. Aber bisher schafften es die Meldungen dieses Artikels noch nicht in die große Presse. Ich jedenfalls habe es noch nicht bemerkt, obwohl ich versuche, mich vielfältig zu informieren. Lachs soll besonders für ältere Menschen eigentlich sehr wertvoll sein. Dass chilenischer Lachs sehr zweifelhaft gezüchtet wird, war mir schon lange bekannt.

    Übrigens soll auch der Wildlachs durch von den Zuchtkäfigen angezogen werden und auch diese Spezies ist jetzt massiv von der Lachslaus befallen.

    Fazit: Lachs sollte wie für mich auch für andere Konsumenten tabu werden.

  • Sie werden sich rächen, die ausgebeuteten, malträtierten Geschöpfe. Und ihre Rache wird allumfassend sein.

    • @Anidni :

      Claro, nach dem Gesetz des Feedback/Rückkopplung.