Skandal im Würzburger Seminar: Priester im braunen Sumpf
Hitlergruß und Judenwitze. Wegen rassistischer und antisemitischer Umtriebe müssen angehende katholische Geistliche ihr Seminar verlassen.
MÜNCHEN taz | „Seminar unter der Lehre des Guten Hirten“ steht in goldenen Lettern auf Latein über dem Eingangstor zum Würzburger Priesterseminar. Doch was in den vergangenen Wochen aus dem ehrwürdigen Gebäude in der Altstadt an die Öffentlichkeit drang, hatte mit guter Lehre wenig zu tun. Einige Studenten des Priesterseminars sollen sich bei Treffen Judenwitze erzählt, Hitlers Geburtstag gefeiert und rechtsradikale Musik gespielt haben.
Die Ergebnisse einer externen Untersuchungskommission belegen nun: Die Vorwürfe waren größtenteils gerechtfertigt. Ein angehender katholischer Priester habe mindestens drei Witze über Konzentrationslager erzählt, sagte der Kommissionsvorsitzende Norbert Baumann am Mittwoch im Exerzitienhaus Himmelspforten.
Dieser Seminarist werde nun mit sofortiger Wirkung entlassen. Er und ein weiterer Seminarist hätten im Seminar-Bierkeller außerdem Hitler „imitiert“ und „parodiert“ sowie den Hitlergruß gezeigt. Einer habe beim Mittagstisch nach einem „Neger zum Abräumen“ gerufen.
Auch dass ein Seminarist ein Konzert der umstrittenen Band Frei.Wild besucht hat, gilt als bewiesen. Der Band werden rechtslastige Tendenzen vorgeworfen, wovon sie sich aber distanziert. Weil er „zu einer kritischen Auseinandersetzung“ mit den Texten der Band „bis heute nicht bereit“ sei, müsse der betroffene Seminarist gehen, sagte Bischof Hofmann.
Ein weiterer Priesterschüler sagte zudem zu einem anderen, den Teilnehmern der Anti-rechts-Demonstration „Würzburg ist bunt – nicht braun“ am 1. Mai gehöre „eine reingehauen“. Mit diesem Seminaristen werde in den kommenden Wochen noch intensiv zu reden sein, sagte Bambergs Erzbischof Ludwig Schick. Sollte sich der Seminarist nicht einsichtig zeigen, könne auch er noch aus dem Seminar entlassen werden. Jede Form von Rassismus, Antisemitismus und Extremismus sei mit dem Christentum unvereinbar.
Hitlers Lieblingsmarsch
Im Bierkeller des Seminars sei auch wiederholt der „Badenweiler Marsch“ abgespielt worden – im Wissen, dass es sich dabei um Hitlers Lieblingsmarsch handle. Eine Feier von Hitlers Geburtstag am 20. April war nicht nachweisbar. Am Priesterseminar lernen derzeit 18 angehende Priester. Sie werden für die Bistümer Würzburg und Bamberg ausgebildet.
Der Würzburger Bischof Friedhelm Hofmann hatte die externe Kommission Ende Mai eingesetzt, nachdem der Regens des Seminars Anfang Mai von den rassistischen und antisemitischen Vorwürfen erfahren hatte. In den vergangenen Wochen haben die Mitglieder der Kommission die gegen die angehenden Priester erhobenen Vorwürfe geprüft.
Die Kommission hat Dutzende Personen aus dem Priesterseminar sowie aus dem Umfeld der betroffenen Seminaristen angehört. Der Bericht der Kommission wurde nun an die Staatsanwaltschaft Würzburg zur Überprüfung übergeben. Der Kommissionsvorsitzende Baumann betonte, dass es im Würzburger Priesterseminar „kein braunes Netzwerk und keinen braunen Sumpf“ gebe. Es handle sich um Fehlverhalten und Fehleinschätzungen einzelner Priesterschüler.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind