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Sitzung der DB-AufsichtssräteBahn will neue Schulden machen

Das Megaprojekt Stuttgart 21 verschlingt Milliarden. Gleichzeitig hat die Deutsche Bahn nicht genug Geld, um ihr Angebot zu modernisieren.

Der Gewinn der Bahn wird nicht reichen, um geplante Investitionen zu finanzieren Foto: dpa

Berlin taz | Wenn die Aufsichtsräte der Deutschen Bahn (DB) am Mittwoch zu ihrer Sitzung im Berliner Bahntower am Potsdamer Platz kommen, treffen sie auf DemonstrantInnen gegen das Projekt Stuttgart 21. Die Aktivisten werden etwas mitbringen: ein 170-seitiges Gutachten zum fehlenden Brandschutz bei dem Megabau. „Stuttgart 21 ist nicht nur das sichtbarste Symbol für das Scheitern der bisherigen Bahnpolitik, es steht auch der Neuorientierung der Bahn im Weg“, sagt Werner Sauerborn vom Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21. Denn die Kosten laufen aus dem Ruder, während das Geld für die Modernisierung der Bahn dringend gebraucht wird.

Fehlender Brandschutz ist kein unwichtiges Detail. Aus diesem Grund verzögert sich die Eröffnung des neuen Berliner Großflughafens. Das Gutachten im Auftrag der Stuttgart-21-Gegner kommt zu dem Schluss, dass der Brandschutz für den geplanten Tiefbahnhof nicht für eine Genehmigung durch die Aufsichtsbehörden ausreicht. Neue Brisanz hat das Thema, seit im Oktober ein ICE auf der Schnellstrecke Köln–Frankfurt/Main Feuer gefangen hat. Die Aufsichtsratssitzung am Mittwoch ist die erste reguläre nach diesem Vorfall. Die Bahn wollte zur Aufsichtsratssitzung nicht Stellung nehmen.

Bei der Sitzung wird es um die Finanzplanung bis zum Jahr 2023 gehen. Bahn-Chef Richard Lutz möchte im großen Stil investieren, um Verspätungen, Zugausfälle und Serviceprobleme in den Griff zu bekommen. Aber: Die Bahn hat knapp 20 Milliarden Euro Schulden. Für dieses Jahr rechnen die Bahnmanager mit einem Gewinn von 2,1 Milliarden Euro, im nächsten Jahr nur noch mit 1,9 Milliarden. Das wird nicht reichen, um die geplanten Investitionen in neue Züge und Bauvorhaben zu finanzieren. Bahn-Chef Lutz wünscht sich von der Bundesregierung einen Zuschuss von 5 Milliarden Euro. Ob er den bekommt, ist unklar. Laut Nachrichtenagentur Reuters geht aus Unterlagen zur Aufsichtsratssitzung hervor, dass die Bahn weitere Schulden in Höhe von 4 Milliarden Euro machen will.

Gleichzeitig explodieren beim Projekt Stuttgart 21 die Kosten. Im Januar hat die Bahn eingeräumt, dass es 8,2 Milliarden Euro kosten wird – satt der geplanten 4,9 Milliarden. Einige Experten gehen davon aus, dass der Bau mehr als 10 Milliarden Euro teuer wird. Wer für die Zusatzkosten aufkommt, ist unklar – Bahn, Bund und das Land Baden-Württemberg streiten sich darüber. Vieles spricht dafür, dass die Bahn letztlich darauf sitzen bleibt.

Verkauf von Tochterfirmen würde viel Geld bringen

Die FDP-Bundestagsfraktion fordert unterdessen, dass die Bahn im Ausland tätige Tochterfirmen verkaufen soll. „Um die weiteren notwendigen Investitionen finanzieren zu können, sollte sich die Deutsche Bahn AG auf ihr Kerngeschäft konzentrieren und Unternehmensbeteiligungen veräußern, die nicht zu diesem gehören“, heißt es in einem Bundestagsantrag.

Dabei geht es um Teile des Logistikunternehmens DB Schenker und die Gesellschaft Arriva, die das Bus- und Bahngeschäft im europäischen Ausland betreibt. Auch innerhalb der Bundesregierung gibt es Befürworter eines Verkaufs, etwa Wirtschaftsstaatssekretär Oliver Wittke (CDU), der seit Juli im Aufsichtsrat der Bahn sitzt. Fahrgastverbände und Verbraucherschützer dagegen sind skeptisch, weil sie nicht glauben, dass ein Verkauf die Probleme der Bahn löst.

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5 Kommentare

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  • Ich find´s sowas von schade,dass es Mehdorn nicht gelungen ist,die Bahn an die Börse zu bringen.Dieses Fiasko hätte ich zu gerne erlebt.

  • mehdorn spätlese, bahndamm nordseite, bitter im abgang, mit spuren von ko rrup tion

  • 6G
    64938 (Profil gelöscht)

    Warum sollte die Bahn besser sein, als ihr Eigentümer und Dienstherr?



    Das Problem sitzt im Verkehrsministerium, und zwar schon lange.



    Es ist CSU Mitglied, und ändert alle 4 Jahre seinen Namen. Jetzt heißt es gerade Scheuer.



    Allerdings sind die anderen Parteien inkl der Grünen auch nicht viel besser, wenn es um die dringend benötigte Verkehrswende geht.



    Stuttgart und Hamburg zeigen dies deutlich.



    Berlin ist hier eher die Ausnahme, die die traurige Regel bestätigt.

    • @64938 (Profil gelöscht):

      Ist eine Verkehrswende auf Länderebene überhaupt machbar? Was ließe sich (ernsthaft) ausrichten, ohne dass der Bund mitzieht, was er ja zur Zeit nicht tut?



      Ernst gemeinte Frage.

  • 9G
    96177 (Profil gelöscht)

    FDP-Stadtrat Michael Conz: „Also von mir aus könnte Stuttgart 21 eine Billion Euro kosten, und ich wäre immer noch dafür.“ (Stuttgarter Zeitung vom 4. Juli 2010, S. 23)

    Vielleicht fragen die Damen und Herren der FDP im Bundestag mal diesen ehrenwerten Herren aus der eigenen Partei, an welche Geldquellen er angeschlossen ist ... da müßte sich doch was machen lassen, finanztechnisch.