Simone Schmollack über Spahns Reform der Notaufnahmen: Neues Blut in alten Schläuchen
Fahrradunfall, Oberschenkel gebrochen, Krankenwagen mit Tatütata – klarer Notfall. Und dann das: Stundenlang warten, weil die Notaufnahme im Krankenhaus überfüllt ist. Deshalb klingt die Idee von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU), Notaufnahmen zu entlasten, als sei diese berechtigt.
Aber sie klingt eben nur so. Denn was in dem – bislang bekannten – Arbeitsentwurf für ein weiteres Gesetz im Gesundheitsdschungel steckt, ist so etwas wie neues Blut in alten Schläuchen. Danach plant Spahn, ambulante, stationäre und rettungsdienstliche Notfallversorgung zu einem System der „integrierten Notfallversorgung“ umzubauen. Ein erster Schritt soll dabei sein, die Telefonnummern 112 für den Rettungsdienst und die 116 und 117 für die Terminservicestellen der Arztpraxen zusammenzulegen. Unter einer einzigen Nummer sollen Patient*innen erfahren, ob sie mit ihrem Leiden besser in einem Krankenhaus oder in einer gewöhnlichen Praxis aufgehoben sind.
Unabhängig davon, dass die meisten Menschen das durchaus selbst einschätzen können – Notaufnahmen suchen sie meist am Wochenende auf, wenn der Hausarzt geschlossen hat –, dürfte manche Arztpraxis fluchen: Jetzt kommen noch mehr Kranke zu uns, wann sollen wir die denn behandeln?
Spahns Vorstoß vermittelt zudem den Eindruck, dass neuerdings in den „Integrierten Notfallzentren“ (INZ) entschieden wird, ob jemand im Krankenhaus bleiben sollte oder auch woanders zu einem Arzt gehen kann. Das wird bereits jetzt schon gemacht. Zwar kommt es auch vor, dass Menschen mit Lappalien in eine Notaufnahme kommen. Doch kein Krankenhaus nimmt Patient*innen auf, für die das nicht nötig ist. Wenig plausibel ist der Vorschlag, Patient*innen mögen nur Kliniken ansteuern, in denen es ein INZ gibt. Was, wenn man auf dem Land dafür bis zu 100 Kilometer fahren muss?
Richtig indes ist die Idee, den Rettungsdienst über Ländergrenzen hinweg zu vereinheitlichen. Denn tatsächlich ist es eine Zumutung für Patient*innen, wenn Leitstellen sich langwierig abstimmen müssen, bevor ein Notfall ins nächstgelegene Krankenhaus gebracht werden kann.
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