Silke Mertins über das Asylangebot für türkische Dissidenten: Es ist vorbei
Oft weiß man schon lange vor der Trennung, dass die Beziehung nicht mehr zu retten ist. Aber keiner will es aussprechen, denn erst dann wird es real und damit unumkehrbar. Zwischen der Türkei und Europa ist es nicht anders. Die Regierung in Ankara hat die türkische Demokratie erst zu einer Demokratur und dann zu einer Autokratie umgebaut; nun verwandelt sich die Türkei vor unseren Augen in eine Diktatur.
Auch wenn die EU-Beitrittsverhandlungen noch nicht abgebrochen sind und türkische Vertreter weiterhin in allerlei gemeinsamen Räten und Gremien sitzen, ist längst klar: Es ist vorbei. Wenngleich über die Todesstrafe noch nicht abgestimmt wurde, gehört die Türkei nicht länger zur europäischen Wertegemeinschaft. Ein Beitritt zur EU oder auch nur eine Annäherung ist derzeit so wahrscheinlich wie die Einführung der Homo-Ehe in Saudi-Arabien.
Der erste, der das Unvermeidliche halbwegs offen ausspricht, ist Michael Roth (SPD), Staatsminister im Auswärtigen Amt. Alle kritischen Geister könnten in Deutschland Asyl beantragen, betonte er. Das gelte ausdrücklich nicht nur für Journalisten. Formal spricht er nur Selbstverständliches aus: Politisch Verfolgte genießen Asylrecht. So steht es im Grundgesetz. Doch wann hat es das zuletzt gegeben, dass ein deutscher Regierungsvertreter Dissidenten eines anderen Landes auffordert, in Deutschland Schutz zu suchen?
Roths Äußerung ist eine klare Botschaft an den türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdoğan. Er soll wissen, was man im Auswärtigen Amt von ihm hält: nichts. Das Verhältnis ist zerrüttet, auch wenn der Gesprächsfaden noch nicht ganz abgerissen ist. Erdoğan hat sich für einen anderen Weg als den europäischen entschieden. Demokratie war für ihn immer nur eine von mehreren Optionen, um an der Macht zu bleiben – ein Mittel zum Zweck. Natürlich kann man noch mit ihm reden. Nur zu sagen gibt es nichts mehr.
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