Sigmar Gabriel in China: Treffen mit Dissidenten unerwünscht
Der Vizekanzler ist verstimmt darüber, dass er in China keine Regierungskritiker trifft. Diese sagen, China zeige sich „von seiner dunkelsten Seite“.
PEKING taz | Auf dem Hinflug nach China am Montag war Sigmar Gabriel noch guter Dinge. Er wollte in der Volksrepublik nicht nur als Wirtschaftsminister die Bedingungen für die deutsche Industrie verbessern. Als SPD-Chef und Vizekanzler werde er auch außenpolitische Fragen und das Thema Menschenrechte offensiv ansprechen, kündigte Vizekanzler Gabriel an.
„Ich glaube, dass man das als europäischer Politiker in China immer tun muss“, sagte er. Um seine Haltung in dieser Frage zu unterstreichen, werde er sich zudem mit einer Gruppe Regierungskritiker treffen, erklärte er am Montag. „Das habe ich bisher bei jedem Besuch in China gemacht“, fügte er hinzu.
Einen Tag später war der Minister bei diesem Thema ernüchtert – und deutlich weniger gesprächig. Das Treffen habe „nicht in der geplanten Form“ stattfinden können, ließ er mitteilen. Was der Grund für die Absage war und wie er auf den Affront reagieren würde, dazu gab es zunächst keinen Kommentar – vermutlich um die chinesische Regierung nicht zu brüskieren und um die Betroffenen vor weiteren Repressionen zu schützen.
Die verhinderten Gesprächspartner hatten allerdings kein Problem damit, sich zu dem Vorfall zu äußern. Der bekannte Bürgerrechtsanwalt Mo Shaoping, der unter anderem den inhaftierten chinesischen Nobelpreisträger Liu Xiaobo vertritt, berichtet, bei ihm seien vor dem geplanten Termin Polizisten erschienen und hätten erklärt, sie müssten ihm „auf Anweisung von oben“ sagen, dass er Gabriel nicht treffen solle.
Das ist doch „albern“
Eine Woche zuvor hatte Mo nach eigenen Angaben noch Außenminister Frank-Walter Steinmeier getroffen. Diesmal hätten die Polizisten jedoch erklärt, sie könnten nicht zulassen, dass er den deutschen Vizekanzler treffe. Ebenfalls eingeladen war Hu Xingdou, Professor an der Technischen Universität, der sich schon häufig kritisch zum Umgang der chinesischen Führung mit nationalen Minderheiten geäußert hat. Er selbst sagte, er konnte das Treffen nicht wahrnehmen, weil er zu unterrichten hatte.
Hu hält es dennoch für „albern“, dass die Polizei Mo das Treffen mit Gabriel verweigerte. „Damit zeigt sich China gegenüber Deutschland von seiner dunkelsten Seite.“
Später kommentierte Gabriel die Absage des Gesprächs dann doch noch ein wenig ausführlicher. Er „bedauere“, dass der Termin nicht zustande gekommen sei, und werde „in geeigneter Weise gegenüber unseren chinesischen Partnern zum Ausdruck bringen, dass Kontakte zu zivilgesellschaftlichen Organisationen für uns von großer Bedeutung sind“, sagte er.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“