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Siegerentwurf für Berliner MuseumDas Bierzelt an der Potsdamer Straße

Bewusst bescheiden – so könnte man ihn beschönigend nennen. Tatsächlich gleicht der Siegerentwurf für Berlins neues Museum einer Scheune.

Will nicht stören: Der Entwurf für Berlins neues Museum für Kunst des 20. Jahrhunderts von den Architekten Herzog & de Meuron Foto: © Herzog & de Meuron Basel Ltd., Basel, Schweiz mit Vogt Landschaftsarchitekten AG, Zürich/Berlin

Reithalle“, „Bahnhof“ oder „Depot“: das Baseler Architekturbüro Herzog & de Meuron gibt bei seinem Siegerentwurf die naheliegendsten Assoziationen selbst vor. In seiner Silhouette könnte das neue Museum für die Kunst des 20. Jahrhunderts am Kulturforum mit seinem Satteldach aber auch als Scheune oder Bierzelt durchgehen. Der Siegerentwurf gibt sich bewusst bescheiden zwischen seinen Nachbarn von Nationalgalerie und Philharmonie. Man wolle weder zu Mies’ abstrakter Gestaltung in Konkurrenz treten noch Scharouns organische Verspieltheit kopieren, erklärte Jacques Herzog am Donnerstag.

Stattdessen liefert sein weltweit agierendes Büro einen völlig neuen Ansatz. Die Kunstscheune aus netzartig vermauerten Backsteinen in der Fassade bedient keine der derzeit gängigen Moden: Es ist weder retro noch modernistisch. Es scheint vielmehr ohne ideologische oder ästhetische Parteinahme auszukommen. Ein schlichtes Haus soll es nach Willen der Architekten sein, das in erster Linie praktisch funktioniert wie eine Lagerhalle, deren Form es nicht scheut.

Zudem scheint es die vertrackte städtebauliche Situation am Kulturforum lösen zu können. Das ist jedenfalls die Behauptung der Auslober, der Stiftung Preußischer Kulturbesitz als zukünftiger Hausherr und insbesondere Monika Grütters’. Die Staatsministerin für Kultur hatte 200 Millionen Euro vom Bund für das neue Museum lockergemacht und mit der Entscheidung für Herzog & de Meuron in rekordverdächtiger Zeit von weniger als zwei Jahren den „point of no return“ (Grütters) bei dem Projekt überschritten, nach dem nun gebaut werden kann.

Grütters war es auch, die mit „ihren“ Millionen und dem unbedingten Willen, Fakten zu schaffen, die städtebauliche Seite des Museumsprojekts nach Gutsherrenart bestimmte, dem die Berliner Verantwortlichen sich nur allzu gerne und willfährig unterwarfen. Es kommt also nicht von ungefähr, dass Grütters zur Verkündung des Siegerentwurfs am Donnerstag noch einmal behauptete, die Festlegung des Standorts für das neue Museum an der Potsdamer Straße sei richtig gewesen.

Fest steht, dass etliche der Probleme des Kulturforums auch mit der neuen Kunstscheune sich nicht bessern werden

Ob die neue Riesenscheune mit ihren zwei sich kreuzenden Boulevards im Inneren wirklich ein Beziehungsgeflecht zwischen den bestehenden Bauten und den verbleibenden Restflächen am Kulturforum schaffen kann oder das Areal unter seinem geneigten Dach doch eher begräbt, wird dereinst die Praxis zeigen. Fest steht, dass etliche der Probleme des Kulturforums wie die zerstörerische Autoschneise der Potsdamer Straße oder die missglückte Formation der Staatlichen Museen auch mit der neuen Kunstscheune sich nicht bessern werden.

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5 Kommentare

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  • An dieser Stelle ein ganz großes Lob an die Auslober des Wettbewerbs für die mutige Entscheidung, die Potsdamer Prachtmagistrale unangetastet zu lassen. Forum braucht keinen Platz, Autos schon. In demütiger Geste begleitet der Entwurf den automobilen Flaneur, geschickt versperrt der verspielte Riegel des Siegerentwurfs den Blick auf das kulturförmliche Nichts. Einheit durch Teilung. In Berlin ist das kein Widerspruch.

  • Wieso regt man sich so auf? Berlin ist arm. Wenn mal kein Geld mehr für die Kultur da ist, kann man das Ding locker an einen Baumarkt verkaufen... .

  • Liebe TAZ,

     

    da scheint die Autorin den Auslobern/der Jury/dem Architekten voll auf dem Leim gegangen zu sein.

     

    Es handelt sich bei dieser Wahl leider wieder einmal um eine Fehlentscheidung. Vieles ist andernorten schon besprochen worden, es reicht festzustellen, dass dieses große mit einem Satteldach ausgestattete Gebäude sich keineswegs städtebaulich in die Umgebung einbettet, architektonisch in jeder Hinsicht unangemessen ist.

     

    Zur Erinnerung: es soll sich hier um das Museum des 20. Jahrhunderts handeln, nicht um naïve Bauernkunst.

     

    Kritik nach Fertigstellung eines teuren baulichen Fehlers ist wohfeil.

     

    Wäre es nicht sinnvoller bauliche Fehler erst gar nicht zu begehen?

  • 2G
    2830 (Profil gelöscht)

    Ich bin ebenfalls hin und her gerissen. Zwei meiner Räume zieren Leuchten von HundD. Ich mag sie gern, weil sie wie Aliens aus 'Invasion vom Mars' einen anglotzen. Viel zu groß, merkwürdig silikoniert und aufregend. Diese Scheunenform interessiert mich, weil sie einen Pointe zum Kunstmarkt und zur Kulturpolitik im Allgemeinen darstellt. Ein äußerlich simpler und funktionaler Ort für das, was die Stadtoberen, Kulturmanager, Profiteure und Elitekünstler der Top100 als Upperclass-Reliquien gewillt sind reinzustopfen. Und wie eine Scheune dient es lediglich als Depot zur Wertsteigerung, also dem Fressen bzw. Verwerten und dem Neuanbau. Sein offenes Nutzungskonzept, so suggeriert die Zeichnung, lässt auch eine Bildungseinrichtung ganz anderer Natur denken; als Kuturbeitrag der weniger den ohnehin schon gestopften Kunstschnöseln dient, könnte ein Beitrag geleistet werden, der standhält. Die Gestaltung einer liebenswerten Stadtgesellschaft weg vom Ich hin zum rücksichtsvollen Benehmen und zur Feinsinnigkeit miteinander.

  • 3G
    36120 (Profil gelöscht)

    Eine Scheune für die Kunst! Hoffentlich explodieren da nicht wieder die Baukosten!