Siegel für Fußbälle: Noch fairer kicken
Der Senat will dafür sorgen, dass Schulen und Vereine keine unfair produzierten Fußbälle mehr kaufen. Ohne ein neues Vergaberecht geht das nicht.
Fairen Kaffee und faire Schokolade kennen alle, faire Fußbälle noch nicht. Dabei liegt der Fairness-Gedanke gerade bei den runden Sportgeräten aus Echt- oder Kunstleder auf der Hand bzw. dem Fuß: Wer beim Kicken Wert auf Rücksichtnahme und gleiche Regeln für alle legt, sollte auch ein gesteigertes Interesse daran haben, dass der Ball nicht unter menschenunwürdigen Bedingungen zusammengenäht wurde, zum Beispiel von Kindern, die stattdessen viel lieber in die Schule – etwa in den Sportunterricht – gingen.
Genau das aber geschieht immer noch in großem Umfang, wie Transfair e. V. anprangert, der Verein, der in Deutschland das sogenannte Fairtrade-Siegel vergibt. Seinen Angaben zufolge werden in der pakistanischen Region Sialkot Jahr für Jahr rund 40 Millionen Fuß- und auch Handbälle für Hungerlöhne in Handarbeit hergestellt, in Weltmeisterschaftsjahren sogar bis zu 60 Millionen. Unter den ca. 40.000 Menschen in den Ballfabriken seien viele Kinder.
Transfair vergibt sein Siegel für Bälle, wenn diese nach dem „Fairtrade Hired Labour Standard“ produziert worden sind. Dieser entspricht den sogenannten Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeits-Organisation ILO – er schließt Kinderarbeit aus und setzt voraus, dass mindestens der nationale Mindestlohn gezahlt wird und die Arbeitsbedingungen kontinuierlich verbessert werden.
In Berlin kommen leider viel zu wenige dieser Bälle an, auch nicht in den Schulen, wo die öffentliche Hand für die Anschaffung zuständig ist. Aus der noch unveröffentlichten Antwort der Senatssportverwaltung auf eine Anfrage des Grünen-Abgeordneten Georg Kössler, die der taz vorliegt, geht hervor, dass im Schuljahr 2016/2017 Fuß- und Handbälle im Wert von knapp 35.000 Euro im Rahmen des sogenannten Sammelbestellverfahrens über das Landesverwaltungsamt geordert wurden. Allerdings hätten die beiden Sportgeräte-Großhändler, bei denen das Amt die Bestellungen tätigt, gar keine bzw. nur sehr wenige faire Bälle im Sortiment.
Die genannte Summe deckt 80 Prozent der bestellten Bälle ab, die restlichen 20 Prozent entfallen auf Direktbestellungen von Schulen, die nicht über das Landesverwaltungsamt gebündelt werden. Wie viele von diesen Bälle das Fairtradesiegel tragen, darüber weiß die Senatsverwaltung nach eigenen Angaben nichts – und auch darüber, wie viele der Bälle aus den Sammelbestellungen zu fairen Bedingungen produziert wurden, kann sie keine Angaben machen.
„Nur noch faire Bälle beschaffen“
Das muss sich ändern, findet Georg Kössler, und nicht nur das: „Mit öffentlichen Geldern dürfen nur noch faire Bälle beschafft werden“, fordert der Fraktionsprecher für Eine-Welt-Politik, das Land habe da eine „wichtige Vorbildfunktion“. Der Titel „Fair-Trade-Town“, den einige Bezirke bereits tragen und den nun auch ganz Berlin anstrebt, dürfe kein leeres Bekenntnis bleiben.
Kössler setzt dabei große Hoffnungen in eine Novelle des Ausschreibungs- und Vergabegesetzes, die laut der Antwort von Staatssekretär Christian Gaebler im Senat vorbereitet wird. Nach Informationen der taz ist Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) maßgeblich an dieser Initiative beteiligt.
Bislang gelten für Sammelbestellungen von Waren über das Landesverwaltungsamt die Regeln zur Nachhaltigen Beschaffung im Berliner Ausschreibungs- und Vergabegesetz (BerlAVG) und die Vorgaben der Verwaltungsvorschrift Beschaffung und Umwelt (VwVBU). Kriterien wie etwa ein Fairtrade-Siegel sind darin nicht vorgesehen, und das Amt kann Schulen oder andere Einrichtungen nicht dazu verpflichten, solche höheren Standards einzuhalten.
Wenn die Novelle so kommt, wie es die Sportverwaltung andeutet und Kössler sich erhofft, wäre es künftig möglich, die Einhaltung der ILO-Kernarbeitsnormen verpflichtend zu machen. Der Grünen-Abgweordnete will den Gesetzgebungsprozess kritisch begleiten. Für ihn sollte spätestens bis Ende der Legislaturperiode kein „unfairer“ Ball mehr in Berlin mit öffentlichen Geldern bezahlt werden. Die Vermutung, dass Schulen auf Direktbestellung ausweichen, wenn bei der Sammelbestellung schärfere Kriterien angelegt werden, weist er als unbegründet zurück: Faire Bälle fielen qualitativ nicht hinter andere zurück, die Auswahl werde immer größer, und auch beim Preis gebe es keinen nennenswerten Unterschied.
Wenig Druck auf Vereine
Was Sportvereine als Käufer von Sportartikeln angeht, verweist Kössler auf die Summe von 50.000 Euro, die die Koalition in den aktuellen Doppelhaushalt eingestellt habe. Aus diesem Topf werden Vereine, die Fairtrade-Bälle kaufen, aktuell mit 50 Prozent des Anschaffungspreises bezuschusst. Auch durch Gespräche oder Schirmherrschaften will das Land den Fairtrade-Gedanken in der Vereinswelt verankern. Viel mehr traut man sich aber auf oberster Landesebene aber nicht: Der Senat setze „im Hinblick auf die Autonomie des Sports auf dessen Eigenverantwortung“, heißt es in Staatssekretär Gaeblers Antwort.
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