Sieg des Rechts: Generäle müssen zittern
Noch sind Slobodan Milošević und seine Mordbrenner-Genossen in Den Haag nicht angekommen. Noch nicht. Die Aufarbeitung der Kriegsverbrechen im ehemaligen Jugoslawien hängt allein vom politischen Willen der Mächtigen dieser Welt ab – und die schauten bislang eher weg, wenn es um Staatsverbrechen ging.
Das Urteil des Haager Gerichtshofs gegen den Kroatengeneral Tihomir Blaskić spricht dagegen eine neue Sprache: Der General konnte nur deshalb seiner Verbrechen an muslimischen Zivilisten in Bosnien überführt werden, weil das US-Außenministerium und US-Nachrichtendienste geheime Aufzeichnungen, darunter getarnte Funksprüche und Kommandobefehle, entschlüsselt zur Verfügung stellten.
Rechtlich anrüchig, politisch verständlich, überreichten die US-Aufklärer ihr gesammeltes Material erst in den vergangenen Monaten den Den Haager Ermittlern, als einer der Schreibtischtäter des jugoslawischen Erbfolgekrieges, der Kroatenherrscher Franjo Tudjman, schon im Sterben lag und der Machtwechsel in Zagreb bevorstand.
Das Urteil gegen Blaskić hat Folgen für die gesamte kriegszerrissene Region: Denn in Zagrebs Staat- und Militärapparat sitzen noch unzählige Funktionäre, die in einer heimlichen Allianz mit serbischen Freischärlergruppen und der jugoslawischen Armee die gewaltsame Aufteilung des jugoslawischen Vielvölkerstaates ausheckten. Diese Säbelrassler und Kriegstrommler können sich ihrer Freiheit nicht mehr sicher sein, ebenso wenig wie ihre serbischen Kriegspartner.
Der schweigsame Blaskić wird reden, denn er hat nichts mehr zu verlieren. Der Tudjman-Vertraute wird die Namen der Schreibtischtäter nennen, die das Prinzip der Völkertrennung auf dem Balkan planten, verfochten und mit den brutalen Methoden der Vertreibung, des Massenmordes und der Vergewaltigung durchzusetzen versuchten. Ein wichtiger Schritt ist getan. Nach dem Fall Blaskić gibt es kein Zurück mehr.
Viel Unangenehmes zur Verantwortung des Westens wird noch zur Sprache kommen. Vielleicht steht am Ende des Aufarbeitungsprozesses dann doch die Einrichtung eines Internationalen Gerichtshofs und ein Sieg des Rechts.
Karl Gersuny
Bericht, SEITE 10
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