Sicherheitsversagen in Halle: Worte, die fehlen
Der Staat hat beim Schutz der Synagoge in Halle versagt. Bislang gibt es aber weder eine Entschuldigung noch Rücktrittsforderungen.
E s ist nicht so, dass die deutsche Öffentlichkeit nach dem Anschlag von Halle einfach zur Tagesordnung übergeht. In Berlin, München, Marburg und vielen anderen Städten sind viele tausend Demonstranten auf die Straße gegangen, um ihre Solidarität mit der jüdischen Minderheit und ihre Abscheu gegenüber dem rechtsradikalen Attentäter deutlich zu machen. Politiker der Großen Koalition versprechen, jetzt endlich gegen den Hass im Internet vorgehen und Aufklärung im Vorfeld betreiben zu wollen. Wir werden sehen, was daraus wird.
An guten Wünschen und Versprechungen mangelt es also nicht. Und doch haben die Bekundungen aus der Politik einen schalen Beigeschmack. Denn auch vier Tage nach dem Anschlag hat sich kein verantwortlicher Politiker dazu bequemt, sich für das eklatante Versagen beim Schutz der Synagoge zu entschuldigen. Nur eine verschlossene Tür verhinderte, dass es in dem Gotteshaus zu einem Blutbad kam.
Aber niemandem geht ein Schuldeingeständnis über die Lippen – nicht den sachsen-anhaltischen Landesministern, nicht dem Bundesinnenminister, nicht der Kanzlerin. Stattdessen hat der Innenminister von Sachsen-Anhalt, Holger Stahlknecht, behauptet, die Polizei habe „gute Arbeit“ geleistet und der fehlende Polizeischutz sei auf eine Gefährdungsanalyse des Bundeskriminalamts zurückzuführen. Kein Wort dazu, dass die Jüdische Gemeinde um Schutz gebeten und ihn nicht erhalten hatte. Stattdessen wird die Schuld weitergegeben.
Bei anderen Gelegenheiten wird schnell nach „personellen Konsequenzen“ gerufen. Für Halle hat niemand auch nur einen Rücktritt ins Gespräch gebracht. Dieses Nichtverhalten, diese fehlende Entschuldigung lässt den Verdacht entstehen, dass dieses Attentat doch nicht für so ganz wichtig erachtet wird. Es befördert die Vermutung, dass all die wohlmeinenden Erklärungen der üblichen Routine entsprechen, die nach jedem Anschlag abgespult wird. Diese Wurschtigkeit trägt nicht dazu bei, das Vertrauen der bedrohten Juden in die deutsche Politik zu stärken. Dabei wäre nichts nötiger als genau das.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Anschlag in Magdeburg
Der Täter hat sein Ziel erreicht: Angst verbreiten
Bankkarten für Geflüchtete
Bezahlkarte – rassistisch oder smart?
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Tarifeinigung bei Volkswagen
IG Metall erlebt ihr blaues „Weihnachtswunder“ bei VW