Sibel Schick über Macrons Aktionsplan gegen sexuelle Gewalt: Deutschland, wir müssen reden
Bruce Springsteen schrieb einst in einem Song: „… the night belongs to lovers.“ Dabei weiß jede Frau, die schon mal nachts allein nach Hause gelaufen ist, dass die Nacht Männern gehört. Von fremden Männern blöd angemacht zu werden, sprich verbale Gewalt, ist für viele quasi Alltag. In Frankreich ist es bald eine Straftat.
Der französische Präsident Emmanuel Macron kündigte am Samstag, dem Internationalen Tag der Beseitigung von Gewalt gegen Frauen, einen entsprechenden Aktionsplan an: „Frankreich darf nicht eines der Länder sein, in dem Frauen Angst haben.“ Die Einführung des Straftatbestands „sexistische Beleidigung“ dürfte verbale Gewalt auf der Straße erschweren und Frauen etwas mehr Sicherheit gewährleisten. Auch mehr Geld soll fließen für die Gleichstellung.
Mag sein, dass Macron mit diesem Zug versucht, die in letzter Zeit verlorenen Sympathiepunkte zurückzugewinnen, was die Freude über sein Vorhaben aber nicht dämpfen sollte. In Deutschland wartet man auf so etwas vergeblich. Seitdem die sexuellen Übergriffe des Hollywoodproduzenten Harvey Weinstein die #metoo-Debatte über sexualisierte Gewalt ausgelöst haben, zeigt sich, wie wenig Sensibilität für das Thema selbst innerhalb der intellektuellen Kreise des Landes vorhanden ist. Stattdessen beklagten sich vor allem männliche Autoren, dass Komplimente automatisch mit Vergewaltigungen gleichgesetzt würden, und schufen so erst recht eine künstliche Grauzone für die Legitimation von Sexismus.
Familienministerin Katarina Barley beschwerte sich im Oktober über Kanzlerin Angela Merkel: Sie stehe nicht an der Seite der Frauen im Kampf für die Gleichstellung. Barley hat recht. Von der Lohnungleichheit über den Sexismus in der Werbung bis zur verbalen Gewalt auf der Straße besteht in Deutschland Handlungsbedarf, und um die Situation zu verbessern, braucht auch Deutschland einen Aktionsplan.
Dafür müssen wir aber zuerst mehr und differenzierter über Sexismus und Gewalt gegen Frauen reden. Nicht nur am 25. November, sondern jeden Tag.
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