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Showboxen in TexasNicht einmal für Netflix war es ein Sieg

Der Influencer Jake Paul gewinnt gegen Ex-Weltmeister Mike Tyson. Boxerisch ohne Wert, aber der Einstieg des Streaminganbieters ins Sportgeschäft.

Ganz am Rand gibt es noch so etwas wie Sport: Mike Tyson (r.) und Jake Paul bei ihrem Showkampf Foto: imago/Zuma Wire

Was macht man alles im Alter von 58 Jahren? Mit der Familie zusammensitzen? Gartenarbeit? Lesen? Als ehemals bester Boxer der Welt hat sich Mike Tyson anders entschieden. Mit fast 60 Jahren stieg er in der Nacht von Freitag auf Samstag noch einmal in den Ring, um gegen den Influencer Jake Paul anzutreten. Paul hat sich in den letzten Jahren nicht nur als Amateurboxer mit riesiger Reichweite einen Namen gemacht, der Kampf ist auch ein Vorstoß von Netflix in das Geschäft des Livesports.

Die Brüder Jake und Logan Paul sind Chamäleons, die sich dem Internet anpassen. Ganz gleich, welche Plattform aufkommt, sie sind dort als Influencer erfolgreich. Zudem hat Logan bei World Wrestling Entertainment (WWE) einen Platz gefunden, während der 27-jährige Jake als Boxer in den Ring steigt. Doch der jüngere boxt meist gegen gealterte Kampfsportler.

Netflix hat sich lange vom Sport- und Livegeschäft ferngehalten. Doch spätestens mit dem ungleichen Boxkampf zwischen Tyson und Paul geht der Streamingdienst in die Offensive.

Dazu hat Netflix einen Zehnjahresvertrag in Höhe von fünf Milliarden US-Dollar mit der WWE abgeschlossen, die ab Januar live zu sehen ist. Der Anbieter hatte im Vorfeld bereits mit hochwertigen Sportdokus wie „Drive to Survive“, „The Last Dance“ und „Quarterback“ das sportliche Interesse seines Publikums getestet. Im Mai sicherte sich Netflix dann die Übertragungsrechte der Christmas Games der Footballliga NFL.

In dem traurigen Kampf wurde deutlich, warum die Quoten auf Pauls Sieg so hoch waren

Der Kampf: Schön ist anders

Der Paul-Tyson-Kampf selbst war ein trauriges Spektakel, in dem deutlich wurde, warum die Quoten für einen Sieg von Paul so hoch waren. Beim Altersunterschied von über drei Jahrzehnten machte auch die Erfahrung von Tyson keinen Unterschied. In den ersten zwei Runden erinnerte Tyson nur für einen kurzen Moment an sein altes Ich. Er kam mit seinem Peek-a-boo-Stil nach vorne, bei dem er seinen Oberkörper blitzschnell nach links und rechts neigt und die Distanz zum Gegner verkürzt.

Doch spätestens in der dritten Runde wurde Tyson langsamer, seine Schläge weniger und die Reflexe schwächer. Paul hingegen hielt Iron Mike auf Distanz und setzte ein paar wilde Haken. Ein technisch anspruchsvolles oder optisch schönes Boxen war das keineswegs. Nach acht Runden wurde Jake Paul einstimmig als Sieger ausgerufen. Doch es ist ein Sieg, der von niemandem ernst genommen wird.

War das Event nun notwendig? Musste man sehen, wie eine gealterte Legende seine Gesundheit riskiert? Natürlich nicht. Aber das interessiert das Kapital herzlich wenig. Das Medienspektakel wurde über Monate hinweg massiv beworben und als angeblich größter Boxkampf der vergangenen Jahre vermarktet.

Auf die Frage des Moderators, ob das nun sein letzter Kampf war, antwortete Tyson: „Ich denke nicht.“ Und er zeigte auf den blondhaarigen Logan Paul, der im überfüllten Ring natürlich strategisch nahe an ihm positioniert war: „Vielleicht sein Bruder.“

Zwar wurde das Spektakel von Boxpu­ris­t:in­nen stark kritisiert, doch tat das dem Erfolg keinen Abbruch. Vor Ort, im AT&T-Stadium in Arlington, Texas, verfolgten über 70.000 Menschen den Kampf. Laut Jake Paul sollen über 120 Millionen Zu­schaue­r:in­nen auf Netflix den Kampf verfolgt haben.

Doch das waren vielleicht zu viele. Der Streaminganbieter ist aktuell für den schlechten Livestream, der unter der Last des großen Publikums immer wieder zusammenbrach, massiver Kritik ausgesetzt. Wenn sich Netflix im Livegeschäft behaupten möchte, muss das Unternehmen sich dort dringend technisch verbessern.

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