Sexuelle Übergriffe gegen Flüchtlinge: Kaum Schutz vor Gewalt
Der Missbrauchsbeauftragte Rörig fordert, den Asylkompromiss zu verbessern – für Frauen und Kinder in Flüchtlingunterkünften.
Genaue Zahlen über sexuelle Gewalt an Frauen und Kindern in Asyleinrichtungen gibt es nicht. Aber MitarbeiterInnen von Frauen- und Flüchtlingsberatungsstellen würden jede Woche aufgrund von sexueller und anderer Gewalt in Asyl- und Aufnahmeheime gerufen, sagte Rörig. Dem Bundeskriminalamt zufolge sind zwei Prozent der angezeigten Delikte in Sammelunterkünften Sexualstraftaten.
Rörig sagte, dass im Referentenentwurf zum Asylgesetz Maßnahmen formuliert waren, mit denen sexuelle Gewalt in Flüchtlingsunterkünften vermieden werden soll. Diese Passagen, darunter Vorschläge zu räumlichen Standards sowie separate Duschräume und Toiletten für Frauen und Männer, seien wieder herausgestrichen worden.
„Das halte ich für falsch“, sagte Rörig: „Da muss nachgebessert werden.“ Es sei „fahrlässig zu glauben, ein erweitertes Führungszeugnis für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Asylunterkünften“ schütze Bewohnerinnen ausreichend vor Übergriffen.
Um den Kinderschutz in muslimischen Einrichtungen zu verbessern, schlossen Rörig und Aiman Mazyek, der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, eine Kooperationsvereinbarung. Es gelte, „Tabuisierungen, die es auch im muslimischen Umfeld gibt, aufzubrechen“, betonte Mazyek. So gibt es jetzt einen Informationsflyer zu sexuellem Kindesmissbrauch auf Türkisch, Arabisch und Deutsch.
Besonders gefährdet seien minderjährige Flüchtlinge, die ohne Eltern hier sind. In Deutschland gibt es rund 60.000 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. 4.500 von ihnen sind spurlos verschwunden. Rörig und Mazyek gegen davon aus, dass manche von ihnen kriminellen Organisationen zum Opfer gefallen sind, die sie zur Prostitution zwingen oder ihnen Organe entnehmen.
Unterdessen hat die EU-Kommission Deutschland gerügt, weil das Land eine EU-Richtlinie zum Schutz vor sexueller Gewalt an Flüchtlingen noch nicht umgesetzt hat. Die Richtlinie schreibt unter anderem Schutzstandards in Asyleinrichtungen vor. Deutschland hat zwei Monate Zeit, auf das Mahnschreiben zu reagieren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
Die Wahrheit
Der erste Schnee
Schraubenzieher-Attacke in Regionalzug
Rassistisch, lebensbedrohlich – aber kein Mordversuch