Sexualstrafrecht in Spanien: Nur Ja heißt Ja

In Spanien verabschiedet das Parlament ein Gesetz, was den Straftatbestand sexueller Aggression auch in Beziehungen deutlich ausweitet.

Frauen demonstrieren 2019 angesichts einer Vergewaltigung gegen die „Missbrauchs“-Definition Foto: Jesus Merida/imago

MADRID taz | „Nur Ja ist Ja“ – das gilt künftig in Spanien. Alles andere ist ein Nein und damit eine Straftat. So sieht es ein Gesetz vor, das am Donnerstag durchs spanische Parlament ging. „Eine Einwilligung liegt nur dann vor, wenn sie frei zum Ausdruck gebracht wurde, durch Handlungen, die angesichts der Umstände des Falls den Willen der Person eindeutig zum Ausdruck bringen“, heißt es im neuen „Gesetz der Garantie der sexuellen Freiheit“, das von Presse und Volksmund „Nur Ja ist Ja – Gesetz“ getauft wurde. Auch Schweigen ist demnach keine Zustimmung, wenn es darum geht, ob eine Handlung strafrechtlich verfolgt werden kann. Der Text muss jetzt noch durch die zweite Kammer, den Senat, aber das gilt als Formsache.

Das Paragrafenwerk stammt aus der Feder der Gleichstellungsministerin Irene Montero aus den Reihen der Unidas Podemos. Die spanische Koalitionsregierung aus Sozialisten und Linksalternativen unter Pedro Sánchez reagiert damit unter anderem auf ein Verbrechen aus dem Jahr 2016. Damals vergewaltigte eine Gruppe von fünf Männern auf dem bekannten Volksfest San Fermin in Pamplona eine junge Frau mehrmals und filmte sich gar dabei. Da sich das Opfer nicht wehrte, sahen die Richter nur Missbrauch und keine sexuelle Aggression, also eine Vergewaltigung, gegeben. Es kam überall im Land zu Massenprotesten unter dem Slogan „Nur Ja ist Ja!“

Eine Unterscheidung zwischen Missbrauch und Aggression wird es künftig nicht mehr geben. Gibt es keine Zustimmung, ist es eine Vergewaltigung, auch wenn sich das Opfer nicht wehrt. Die Strafen auf Vergewaltigung fallen mit bis zu 15 Jahren wesentlich höher aus als beim jetzt abgeschafften Missbrauchs­tatbestand. „Die Frauen haben endlich ein Gesetz, das ihre sexuelle Freiheit garantiert“, erklärte Montero. Es hatte über zwei Jahre gedauert, bis das Werk den Weg durch alle Instanzen nahm.

Das neue Gesetz legt den Begriff der sexuellen Aggression breit aus. Nicht nur direkte Übergriffe gelten als sexuelle Gewalt, sondern auch Belästigungen, Exhibitionismus, sexuelle Provokation, sexuelle Ausbeutung, der Missbrauch Minderjähriger jeglicher Art, weibliche Genitalverstümmelung, Zwangsehe, Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung sowie die Verbreitung sexueller Gewaltakte in digitalen Medien oder sexuelle Erpressung etwa in Netzwerken und Chats. Auch Werbung für Prostitution ist nun verboten.

Die rechtskonservative Partido Popular und die rechtsextreme Vox stimmen dagegen

Doch damit nicht genug. Der Straftatbestand der Vergewaltigung wiegt schwerer, wenn die Frau etwa mit K.o.-Tropfen willenlos gemacht wurde. Auch wenn der Täter der Partner oder Ex-Partner ist, kommt dies erschwerend hinzu. Für die Opfer wird es Hilfsprogramme geben. Vor Gericht wird alles getan, damit das Opfer nicht ein zweites Mal leiden muss. Sichtschutz gehört ebenso dazu, wie die Möglichkeit im Voraus auszusagen, damit bei der Verhandlung dann nur noch die Aufnahme abgespielt wird. Zusätzlich zu den Haftstrafen wird ein Recht auf Schadensersatz eingeführt.

Das Gesetz wurde vom Parlament mit 201 gegen 140 Stimmen bei drei Enthaltungen verabschiedet. Die konservative Partido Popular und die rechtsextreme Vox stimmten geschlossen dagegen. Die Vox-Abgeordnete Carla Toscano erklärte, es sei „für einen Mann unmöglich, die Zustimmung zu beweisen.“ „Das Justizsystem ist gezwungen, Frauen ohne Beweise zu glauben“, fügt sie hinzu. Das sei eine „Waffe, um sich zu rächen“. Außerdem befürchtet sie, dass künftig der Brauch, Frauen auf der Straße Komplimente hinterherzurufen, kriminalisiert würde.

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