Sexualisierte Gewalt in Münster: Entsetzen über Kindesmissbrauch
In einer Gartenlaube in Münster wurden Kinder zum sexuellen Missbrauch angeboten. Die Polizei nimmt elf Tatverdächtige fest, Datenträger werden ausgewertet.
Der Fall zeige in erschreckender Weise, dass der sexuelle Missbrauch von Kindern und die Brutalität der Täter viel größere Dimensionen habe, als noch vor wenigen Jahren allgemein bekannt gewesen sei.
Die Videobilder, zu denen die Ermittler bislang Zugriff haben, dokumentieren demnach abscheulichste Taten. Der Leiter der Ermittlungen, Kriminalhauptkommissar Joachim Poll, ringt um Fassung, als er etwa das mutmaßliche Geschehen in einer Gartenlaube in Münster in einer Nacht Ende April schildert: „Vier erwachsene Männer vergehen sich an zwei kleinen Jungs. Wechselseitig und aufs Schlimmste.“
Über Stunden hätten sich die Missbrauchstaten hingezogen. Das Häuschen ist innen ausgestattet mit videoüberwachten Doppelstockbetten. Und auch außen hängen Kameras. In einer gut getarnten Zwischendecke sind hochprofessionelle Aufzeichnungstechnik und Computer versteckt. Der 27-Jährige Hauptverdächtige in dem Fall ist ein IT-Techniker.
Der Familienvater stand unter Verdacht des Jugendamts
In der Laube mit ihrem sorgsam gejäteten Vorgarten soll er den 10-jährigen Sohn seiner Lebensgefährtin den anderen Männern für die Gewalttaten zur Verfügung gestellt haben. „Er ist verkauft worden von demjenigen, der ihn eigentlich behüten sollte“, sagt Poll. Das zweite Opfer ist der fünfjährige Sohn eines weiteren mutmaßlichen Peinigers aus Staufenberg bei Gießen.
Das Jugendamt der Stadt Münster hatte Kontakt zu der Familie von einem der Opfer des Missbrauchsfalls in Nordrhein-Westfalen. Die Familie sei den Behörden aus den Jahren 2015 bis 2016 bekannt, „weil der soziale Kindsvater wegen des Besitzes und des Vertriebs pornografischer Daten aufgefallen war“, teilte die Stadt am Samstag mit.
In dieser Zeit habe das Jugendamt Kontakt zu der Familie gehabt. 2015 habe das Familiengericht keinen Anlass gesehen, das Kind aus der elterlichen Verantwortung zu nehmen. Oberbürgermeister Lewe sagte dazu: „Eine Bewertung können wir erst vornehmen, wenn die Faktenlage dafür ausreichend geklärt ist.“
Am Wochenende wurde der Tatort in der Kleingartenanlage im Norden Münsters von Polizisten bewacht. Kleingärtner und Besucher der gepflegten Anlage zeigten sich entsetzt, wollten sich aber nicht zu den mutmaßlichen Geschehnissen auf der durch die Polizei versiegelten Parzelle äußern.
Bisher ist nur ein Teil der Verbrechen bekannt
Bilder und Videos der Taten bot der Hauptverdächtige im sogenannten Darknet an. Der Fall war am Freitag bekannt geworden, nachdem in mehreren Bundesländern Tatverdächtige festgenommen worden waren. Die Ermittler stellten inzwischen mehr als 500 Terabyte versiert verschlüsselten Materials sicher. Nach der Auswertung der ersten Daten gehen Polizei und Staatsanwaltschaft davon aus, dass bislang nur ein kleiner Teil der mutmaßlichen Verbrechen bekannt geworden ist. Von elf Festgenommenen sitzen sieben in Untersuchungshaft.
„Selbst die erfahrensten Kriminalbeamten sind an die Grenzen des menschlich Erträglichen gestoßen und weit darüber hinaus“, sagt Rainer Furth, Polizeipräsident von Münster. Nun wird es ihre belastende Aufgabe sein, Datei um Datei „von diesem abscheulichen Dreck“, wie Furth es ausdrückt, zu entschlüsseln, zu sichten, um den Fall Schicht um Schicht aufzuklären.
Welche Kreise solche Ermittlungen ziehen können, zeigt der nicht minder erschütternde bundesweite Missbrauchskomplex, der im nordrhein-westfälischen Bergisch Gladbach seinen Anfang nahm. Dort hatten Ermittler im vergangenen Oktober die Wohnung eines 42-Jährigen durchsucht und dabei riesige Mengen kinderpornografischen Materials gefunden.
Spezialisten sind bis heute mit der Auswertung beschäftigt. Die Ermittler entdeckten Chat-Gruppen, in denen sich nach früheren Angaben bis zu 1.800 Pädophile austauschten. Opfer waren demnach oft die eigenen Kinder, darunter auch Babys. Polizei und Staatsanwaltschaft haben in dem Komplex bundesweit bisher mehr als 70 Tatverdächtige identifiziert, fast die Hälfte davon aus Nordrhein-Westfalen. Zudem gebe es 44 bekannte Opfer.
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