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Sexualisierte Gewalt im SportFür eine Struktur der Solidarität

Vertrauen und Zusammenhalt hilft einem Nachwuchsteam, einen übergriffigen Trainer loszuwerden. Immer noch wird Betroffenen viel zu selten geglaubt.

Illustration: Zoë Matt-Williams

Berlin taz | Als ich siebzehn Jahre alt war, filmte ein Mann aus dem Trainerteam meine Mitspielerinnen und mich beim Duschen. Er zerkratzte die Milchglasfolie der Dusche von innen, sodass er von außen reinfilmen konnte. Andere aus dem Trainierteam legten sich nach einem Verdacht auf die Lauer und filmten ihn – er wurde von der Polizei verhaftet und später verurteilt. Als man uns von dem Vorfall erzählte, fühlte ich mich entblößt. In unserer Mannschaft machten wir das, was Frauen tun, wenn sie ein Problem haben: Wir setzten uns zusammen und redeten darüber. Der Zusammenhalt war stark. Kein Mann macht mir meinen Fußball kaputt!

Dass wir angegafft, nicht in Ruhe gelassen und immer wieder benutzt werden, ist mir nichts Neues. Das ist der Alltag vieler junger Menschen und Frauen. Aber was zeigt uns dieser Fall? Er ist ein seltenes Beispiel dafür, wie man richtig reagieren kann – und sollte. Dass er aufgedeckt wurde, war das Ergebnis von Aufmerksamkeit, Mut und Solidarität. Eine Person aus dem Trainerteam hatte ein ungutes Gefühl und ihre Sorge wurde ernst genommen. Man schaute nicht weg, sondern hin.

Denn wie oft hören wir Geschichten, in denen Betroffenen nicht geglaubt wird. In denen ihre Gefühle als übertrieben abgetan werden, als Missverständnis. Ich erlebe im Alltag ständig Situationen, in denen Männer Grenzüberschreitungen herunterspielen – oft unter dem Deckmantel von „War nicht so gemeint“.

Aber wenn ein Fall dann einmal „eindeutig“ ist, weil es eine Video gibt – dann schlägt die Solidarität plötzlich ein wie ein Blitz. Dann äußern sich Leute empört und zeigen Anteilnahme. Das ist gut. Und gleichzeitig bitter. Weil wir uns nackt, entblößt und teils minderjährig noch einmal unter der Dusche filmen lassen mussten, um den Täter überführen zu können. Das ist wohl der Preis, den man zahlen muss, wenn man nicht als hysterisch abgestempelt werden möchte.

Sichtbare Solidarität

Deshalb tut es mir so weh zu wissen, dass andere Frauen diese Erfahrung nicht machen. Dass sie ihre Geschichte erzählen – und darauf Schweigen oder Zweifel ernten. Dabei sollte Solidarität keine Ausnahme sein. Sie muss alltäglich sein. Laut. Sichtbar. Dauerhaft. Wir wissen, was häufig Frauen, Mädchen und Jungs im Sport – und darüber hinaus – jeden Tag erleben. Körperliche Übergriffe. Sexistische Kommentare. Blicke, Bewertungen, Bedrohungen.

Schweigen ist keine Option. Das haben auch die DFB-Frauen mit ihrer Beteiligung an der Kampagne „Orange the World“ deutlich gemacht. Ihre Botschaft war klar: Gewalt hat keinen Platz – weder in der Kabine noch auf dem Spielfeld. Dieses Bewusstsein darf kein elitärer Anspruch bleiben. Es muss überall im Sport ankommen. Denn sexualisierte Gewalt im Sport ist kein Randphänomen. Sie entsteht, wenn Machtgefälle bestehen, etwa zwischen Trainer und Spielerin, zwischen Alt und Jung, zwischen männlich und weiblich. Es geht nicht nur um einzelne Täter. Es geht um ein System, das zu oft wegsieht – oder es sich leisten kann, zu schweigen.

Es braucht Schulungen, Vertrauenspersonen und Zeit. Und ja, das kostet Geld. Im Fußball werden millionenschwere Sponsoringverträge abgeschlossen, es wird in Rasenheizungen oder VIP-Lounges investiert. Da darf es keine Ausrede mehr geben, wenn es es um Schutz vor sexualisierter Gewalt geht. Es muss endlich auch in Prävention, Aufklärung und strukturelle Veränderungen investiert werden. Sicherheit darf kein Luxus, Gerechtigkeit kein Zufall und die Scham nicht auf der falschen Seite sein.

Dieser Text ist im Rahmen eines Workshops der taz Panter Stiftung für Nachwuchsjournalistinnen im Sport entstanden.

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1 Kommentar

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  • „Frauen haben sich die ganze lange Geschichte des Patriarchats an Gewalt gewöhnt,



    ja vielleicht gewöhnen müssen.



    Dennoch: Was heute immer noch viele Frauen



    ihren Söhnen entschuldigen, Ihren Partnern



    oder Männern verzeihen und



    ihren Töchtern als Opferverhalten anerziehen,



    wirkt gegen die Unabhängigkeit und



    Würde von Frauen.“



    Johanna Dohnal