Sexismusvorwürfe an der Uni Kiel: Wenn der Tutor mal ausgehen will
Studierende beschweren sich über Sexismus an der Kieler Universität. Es geht um Pornos im Hörsaal und respektloses Verhalten gegenüber Studentinnen.
Nach einem Bericht über die Lage in der Uni-Zeitschrift Albrecht im Januar richtete das Institut eine Taskforce ein, deren Mitglieder heute im Bildungsausschuss des Landtags berichten. Dabei ist die Gruppe schon wieder aufgelöst. Studierende befürchten, dass von deren Arbeit wenig bleibt.
Das Foto auf der Homepage des Informatik-Instituts zeigt eine heile Welt: Eine Studentin steht vorn und erklärt etwas, im Auditorium halten sich männliche und weibliche Personen die Waage. Die Realität im Fachbereich sieht anders aus: Der Frauenanteil liege bei rund 17 Prozent, in allen Semestern gebe es nur 251 Frauen unter 1.500 Studierenden, berichten die Studierenden Anna, Patricia und Mark der taz.
Ihre echten Namen wollen sie nicht nennen, um sich nicht weiter zu exponieren: „Unser Gefühl ist: Wenn die Uni Stellung zu etwas nehmen muss, sind immer die bösen Studis schuld“, sagt Anna. Dennoch engagiert sie sich: „Ich will das System besser hinterlassen, als ich es vorgefunden habe.“
Taskforce soll es richten
Alle drei haben Erfahrungen mit Alltagssexismus gemacht oder kennen Personen, die solche Dinge erlebt haben. So habe ein Student in Vorlesungen pornografische Hentai-Filme geschaut, ein anderer habe in der Vorlesung masturbiert. „Das wurde in einer Chatgruppe kritisiert, aber es wäre gut gewesen, wenn Anwesende die Person direkt darauf angesprochen hätten“, sagt Patricia.
Viele Studentinnen hätten auch das Problem, von männlichen Übungsleitern – meist Studierende höherer Semester – um Dates gebeten zu werden. „Es ist nicht ganz leicht, das abzulehnen, weil diese Personen die Arbeiten bewerten“, sagt Anna. Alle drei sagen auch: „Wir haben viele tolle Übungsleiter, Dozenten und Professoren.“ Allerdings wünschten sie sich von denen mehr Einsatz gegen konservative Haltungen und sexistische Sprüche anderer.
Als der Bericht in der Uni-Zeitung die Vorfälle öffentlich machte, berief das Institut eine Taskforce ein. Bereits vorher habe die Uni reagiert, unter anderem mit der Einrichtung eines „Frauencafés“, teilt die Pressestelle der CAU auf Anfrage mit. „Sexismus, sexueller Belästigung und sexualisierter Gewalt treten wir in allen Bereichen der Universität entschieden entgegen“, sagt Catherine Cleophas, als Vizepräsidentin der CAU für Gleichstellung und Diversität zuständig.
Aus Sicht der Studierenden sei es vor allem die Gleichstellungsbeauftragte gewesen, die sich für das Frauencafé eingesetzt habe, während die Uni-Leitung eher „Steine in den Weg gelegt“ habe: „Die Hürden, etwas zu ändern, waren immer sehr hoch“, sagt Anna.
Die Taskforce war allerdings auch aus Sicht der Studierenden ein Erfolg. „Die Gruppe hat viel angestoßen“, berichtet Mark. Dem Gremium gehörten Studierende, Beschäftigte aus dem Mittelbau und Professoren an, wobei die Lehrenden nicht die Mehrheit hatten, wie es sonst in Uni-Gremien üblich ist.
Die Taskforce regte unter anderem Fortbildungen an, die „Lehrende und Studierende gleichermaßen adressieren“, wie die Uni mitteilt. Zudem werde „Kontakt zu Einrichtungen angeboten, die Unterstützung anbieten“. Ende September beendete die Taskforce ihre Arbeit – das sei von Anfang an so geplant gewesen, sagt Uni-Vizepräsidentin Catherine Cleophas.
Sie verspricht, dass die „Ergebnisse nun dauerhaft strukturell verankert werden sollen“. So sollen die „Themen Sexismus und Diskriminierung regelmäßig im Direktorium des Instituts für Informatik behandelt werden“.
Die Studierenden fürchten aber, dass das unangenehme Thema mit dem Auslaufen der Taskforce wieder in der Versenkung verschwindet. „Es könnte an die Fakultät outgesourct werden“, glaubt Mark. Informatik ist eines von drei Instituten der Fakultät, es liegt aber räumlich getrennt auf einem anderen Campus – sprich, was in der Informatik passiert, sei für die anderen Fachbereiche weit weg.
Thema im Landtag
Die Möglichkeiten, sich zu beschweren, schätzt Anna als gering ein: „Wir sind so wenige, dass es fast immer klar ist, von wem eine Beschwerde ausgeht. Das macht es schwer, sich zu melden.“
Von der Beratung im Landesausschuss erhoffen sie sich, „dass die Sicht der Studierenden wirklich gehört wird“. Geht es nach ihnen, sollte die Taskforce weiterbestehen. Denn obwohl das Thema in der Informatik besonders aufgefallen war, hätten andere Fachbereiche sich über die Initiative gefreut. „Die übernehmen, was hier entwickelt wird“, berichtet Patricia.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Schäden durch Böller
Versicherer rechnen mit 1.000 Pkw-Bränden zum Jahreswechsel
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen