Sexarbeit in Berlin: Bespuckt, besprayt und angegriffen
Für viele Sexarbeiter:innen ist Gewalt durch Passant:innen ein alltägliches Problem. Die Polizei soll Notrufe teils nicht ernst nehmen.
Anfang November hat die Organisation mit „Respekt im Kiez!“ in der Lützow-Villa in Mitte die erste von drei Veranstaltungen abgehalten, mit denen sie auf Gewalt gegen Prostituierte durch Passant:innen aufmerksam machen wollen. Verschiedene Sozialarbeiter:innen bestätigten die Relevanz dieses Problems: „Ich kenne viele, die sich gar nicht mehr trauen, arbeiten zu gehen“, erklärt eine Vertreterin von Subway, einem Hilfsprojekt für männliche Prostituierte.
Grund für den Anstieg von Gewalt, so Tate gegenüber der taz, seien wohl die Folgen der Pandemie gewesen: „Wir haben das Gefühl, viele Leute haben ihre Frustration an den Menschen am Straßenstrich ausgelassen.“ Sexarbeiter:innen würden bespuckt und mit Pfefferspray angegriffen werden, es käme zu Wurfattacken mit rohen Eiern und Glasflaschen. Manchmal würden Autos so knapp an Sexarbeiter:innen vorbeifahren, dass diese zur Seite springen müssten, um nicht verletzt zu werden.
„Zwei-, dreimal habe ich die Polizei gerufen, aber die macht nichts“, sagt Asiye, die ihren Nachnamen nicht nennen will. Sie arbeitet seit 17 Jahren auf dem Berliner Straßenstrich. Während der Veranstaltung in der Villa Lützow spricht sie über ihre Erfahrungen mit Anfeindungen und die Reaktion der Polizei.
Einmal, erzählt sie, hätten Beamte nach einem Notruf wegen eines gewalttätigen Vorfalls zwar angekündigt zu kommen – eingetroffen seien sie aber nicht. Ayse, ebenfalls als Berliner Sexarbeiterin zu Gast bei „Respekt im Kiez!“, fügt hinzu: „Viele Polizist:innen denken, es wäre bei uns nicht nötig herzukommen. Sie machen sich lustig über uns.“
Beamt:innen aus anderen Bezirken
Solche Vorfälle sind auch Tate bekannt. Konfrontiert mit den Vorwürfen der Sexarbeiter:innen, hätte die Berliner Polizei Tate zufolge mit einem fehlenden Bewusstsein der eingesetzten Beamt:innen argumentiert. Häufig würden diese aus Bezirken hinzugezogen werden, in denen Prostitution weniger verbreitet sei, eine Sensibilisierung gegenüber Sexarbeiter:innen also fehlte. Auf Nachfragen konnte die Polizei Berlin der taz keine Antworten geben.
Die Stadtteile Mitte und Schöneberg gelten als Schwerpunkte der Prostitution. Insbesondere entlang der Kurfürstenstraße, die die Grenze zwischen beiden Bezirken markiert, prägen Sexarbeiter:innen das nächtliche Straßenbild. Dabei würden sich laut der Bezirksbürgermeisterin von Mitte, Stefanie Remlinger (Grüne), die Verhältnisse in den Bezirken derzeit verändern: „Die Prostitution hat sich mehr nach Schöneberg verlagert“, sagt sie der taz.
Diese Einschätzung teilt auch das Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg, die in der Bülow-, Kurfürsten- und der Frobenstraße eine Zunahme an Sexarbeit beobachten konnte. „Um den verschärften Problemlagen zu begegnen“, so das Bezirksamt, wolle es die sozialen Angebote vor Ort ausbauen – etwa die Straßensozialarbeit, die Kältehilfe oder den Frauentreff Olga. Auch die Einrichtung von Notrufsäulen befürworte der Bezirk Tempelhof-Schöneberg – eine Maßnahme, die auch Trans*Sexworks fordert.
„Es gibt den Wunsch nach mehr zivilen Polizist:innen und Milieubeauftragten, die bei Gewalt einschreiten“, berichtet Tate außerdem. Wichtigste Forderungen seien neben der Stärkung von Gewaltprävention die Einrichtung sauberer und sicherer Arbeitsorte, etwa in Form sogenannter Verrichtungsboxen. Von diesen kleinen Holzkabinen mit Plumpsklo-Flair stehen bereits erste Exemplare an der Kurfürstenstraße.
Aufgestellt und gereinigt werden sie vom Bezirksamt Mitte, dennoch erklärt Bürgermeisterin Remlinger gegenüber der taz: „Verrichtungsboxen zur Verfügung zu stellen ist keine staatliche Aufgabe, und uns als Bezirk fehlen dafür auch die Mittel.“ Auch das Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg hält die Aufstellung von Verrichtungsboxen nicht für umsetzbar.
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