Sex-Berichterstattung nach dem Brexit: Schnackseln mit Angelsachsen
Toller Quatsch: Die Londoner NDR-Korrespondentin Annette Dittert berichtet digital über die britische Libido, tote Hosen und Vintage-Pornohefte.
V or ein paar Jahren hatte jemand in der ARD mal eine gute Idee: Der Senderverbund unterhält ja rund 30 Auslandsstudios in aller Welt. Die können logischerweise aber nicht jeden Tag in der „Tagesschau“ vorkommen. Und da auch der „Weltspiegel“ – höflich formuliert – nicht grenzenlos ist, sollten sich die KorrespondentInnen doch auch im Netz austoben. Videoblogs aus den Auslandsstudios, in denen dann auch berichtet wird, wenn es mal nicht gleich knallt und stinkt und für die große TV-Nachrichtenwelt reicht.
Hat irgendwie aber nicht so richtig funktioniert, jedenfalls sind heute alle diese Blogs schon wieder Rundfunkgeschichte. Alle? Nein! Eine von einer unbeugsamen Korrespondentin und Studioleiterin bevölkerte Außenstelle hört nicht auf, sich dem Trend entgegenzustemmen.
Alle zwei Wochen meldet sich Annette Dittert aus London, wo in diesen Tagen ja auch so allerhand los ist. Der EU-austrittwütige Neu-Premier Boris Johnson lügt schon wieder so schön und entlarvend wie beim Brexit-Referendum vor drei Jahren – und keineR stört sich wirklich dran. Das Pfund ist im Keller und gräbt noch ein bisschen tiefer. Und dann ist London in diesem crazy and magic summer auch noch brüllend heiß.
Vielleicht ein bisschen zu heiß, jedenfalls hat sich Frau Dittert in ihrem jüngsten „Brexit Diary“ mit der ihr eigenen Verve auf das englischste aller Themen geworfen. Nein, nicht das Wetter. Es geht um Sex. Weil der Brexit drückt jetzt auch auf die britische Libido, da kannst du staunen. Hat jedenfalls die Daily Mail geschrieben, dass die Geburtenrate im noch Vereinigten Königreich auf einem 80-Jahre-Tiefpunkt angekommen ist.
„Neues von der Brexit-Insel“, so heißt der Blog in Lang, ist dabei natürlich in erster Linie eine „Annette Dittert“-Show, die schon früher einmal im Studio London war und immer noch auf ihrem Hausboot auf der Themse lebt. Von dort aus geht es erst mal mit Boris Johnson zu Waliser Hühnern, dann geht es weiter in einen Laden für Vintage-Pornohefte – „aus der guten alten Zeit, als man Sex noch gelesen hat“, wie Dittert das unsterblich formuliert.
Dort verkehren natürlich nur Sammler, und Wissenschaftler Oli sagt „there is no big porn industry in Britain“, womit das dann auch geklärt wäre. Hinten in der Ecke hat Dittert noch die Journalistin Rachel Thompson versteckt, die dann sagt, dass schon seit dem Referendum in Britanniens Bettchen tote Hose ist; und es ist schon lustig, wenn Dittert auf Deutsch fragt und ihre garantiert kein Wort Deutsch sprechenden InterviewpartnerInnen brav antworten, weil das natürlich Fernsehen und alles vorher abgesprochen ist.
Auch wenn Dittert eher mal auf aufdringlich macht und damit durchaus nervt und auch wenn die Erkenntnis „No sex please, we are British“ nicht so ganz taufrisch ist und der Brexit nicht an allem schuld: Eigentlich schade, dass nicht mehr Studios diesen wunderbaren Quatsch machen.
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