„Severance“ bei Apple TV+: Unheimliche Work-Life-Balance

In Ben Stillers neuer Serie werden Privat- und Arbeitsleben durch einen Chip im Gehirn komplett getrennt. Eine Mischung aus Satire und Thriller.

Szene aus der Serie: Mark (Adam Scott) sitzt im Anzug auf einem Schreibtisch, auf seiner Stirn prankt ein große blaues Pflaster

Mark (Adam Scott) ist sich selbst nicht so ganz sicher, was er in seinem Job eigentlich macht Foto: Apple

Beruf und Privatleben voneinander trennen und beidem genug Raum zu geben ist für viele ein Ideal, ganz unabhängig von aktuell drängenden Fragen zu Homeoffice oder ausreichenden Kinderkrankheitstagen. Den Job abends nicht noch mit nach Hause nehmen, sei es gedanklich oder in Form von Aktenbergen, und sich tagsüber im Büro nicht davon ablenken lassen, welche heimischen Pflichten warten, ist leichter gesagt als getan. Außer natürlich man arbeitet bei der Firma Lumon. Denn dort macht man es den Mit­ar­bei­te­r*in­nen leicht, die Sache mit der Work-Life-Balance auf konsequente Weise durchzuziehen.

Mark (Adam Scott) etwa, Mitarbeiter in der Archiv-Abteilung, hat sich dazu entschlossen, am „Severance“-Programm der Firma teilzunehmen, das dieser von Newcomer Dan Erickson kreierten Serie ihren Namen gibt. Einen Mikrochip im Gehirn, und schon ist die Trennung zwischen Arbeit und Privatem vermeintlich unwiderruflich vollzogen. So erinnert sich Mark, wenn er morgens im Büro erscheint, nicht einmal mehr daran, wo er wohnt oder ob er Familie hat, sondern kann alle Aufmerksamkeit auf das immer gleiche Sortieren codierter Zahlen auf seinem Rechner richten. Und kaum verlässt er zum Feierabend das Firmengebäude, weiß er nicht mehr, womit er sich den ganzen Tag beschäftigt hat.

Doch spätestens als sein „Outie“-Selbst, also der private Mark der Außenwelt, der mal Geschichtsprofessor war, seine Frau bei einem Unfall verloren hat und sich abends in den Schlaf trinkt, von einem verschwundenen Ex-Kollegen kontaktiert wird, der angeblich das „Severance“-Verfahren rückgängig machen konnte, fängt er an, sich Gedanken über sein Arbeitsumfeld zu machen. Derweil bekommt „Innie“-Mark im komplett tageslichtfreien Büro mit Helly (Britt Low­er) eine neue Kollegin, die prompt sämtliche Lumon-Verhaltensregeln hinterfragt. Aber auch er selbst beginnt nach und nach, über gewisse Selbstverständlichkeiten an seinem Arbeitsplatz nachzudenken, angefangen mit der Frage, was genau er in seinem Job eigentlich macht.

Daran, dass von einem Arbeitgeber nichts Gutes zu erwarten ist, der als Bonus für erbrachte Leistungen Waffel-Partys veranstaltet, einen Handschlag zur Beförderung nur auf Nachfrage anbietet und ansonsten von früh bis spät dem Firmengründer huldigt, besteht kaum ein Zweifel. Doch auch sonst breiten Showrunner Erickson und der hauptverantwortliche Regisseur Ben Stiller von Beginn der neun Episoden an einen Teppich der Unheimlichkeit aus, der sofort klar macht, dass „Severance“ nicht nur eine bittere Workplace-Satire samt Kapitalismuskritik ist, sondern auch ein futuristisch-gruseliger Paranoia-Thriller.

„Severance“, Freitag, 18.2., die ersten zwei Episoden, danach wöchentlich eine neue Episoden bei Apple TV+

Albtraum-Gefühl im Retro-Look

Man muss als Zu­schaue­r*in dabei durchaus geduldig sein, denn es dauert ein paar Folgen, bis man ein Gespür dafür bekommt, wohin die Reise geht. Doch anders als bei „Maniac“ gibt es mehr als bedeutungsschwangere Rätselhaftigkeit und überstylte Bilder.

Nicht dass nicht auch „Severance“ viel Wert aufs Visuelle legt. Das ungute Albtraum-Gefühl gruseliger Bedrohlichkeit beginnt hier mit der irritierenden Mischung aus Science-Fiction- und Retro-Look, von den labyrinth­artigen, in gleißendes Neon­licht getauchten Gängen im Lumon-Gebäude bis hin zu den Computeroberflächen – und setzt sich in den Performances fort. Adam lotet geschickt sein Image als harmlos-netter Kerl von nebenan aus. Je weiter die Geschichte voranschreitet, desto komplexer erweist sich der thematische Unterbau, der die Unmenschlichkeit moderner Arbeitsbedingungen genauso verhandelt wie den sektenartigen Führungsstil mancher Großkonzerne.

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