Neue Netflix-Serie „Maniac“: Auf Pillen im Elfenwald

Die Starbesetzung um Emma Stone sowie der „True Detective“-Regisseur Cary Fukunaga machen Lust auf „Maniac“. Doch die Netflix-Serie ist zu wirr.

Szene aus "Maniac": Owen (Jonah Hill) und Annie (Emma Watson) stehen gleich gekleidet nebeneinander

Zwei „Dumme“, ein Gedanke ist in „Maniac“ wörtlich zu nehmen Foto: Netflix

„Wir wissen beide nicht, wer wir wirklich sind!“ Diese Worte wispert ein Isländer namens „Snorri“ einer mindestens beim FBI, CIA, NSA oder noch geheimer ausgebildeten blonden Agentin zu, die sich mit ihm schießend und prügelnd einen Weg aus einem Regierungsgebäude bahnt. Falls das Ganze nicht nur in seiner Fantasie stattfindet. Oder in ihrer: Bei „Maniac“ verschmelzen die Gedanken zweier ProbandInnen während einer experimentellen Tablettenstudie, bei der lang unterdrückte Traumata im Schlaf freigelegt, benannt und gelöst werden sollen. Alles mithilfe von Pillen.

„Maniac“ könnte man also durchaus als eine Art Therapievorschlag betrachten: Der „Snorri“-Charakter stammt aus einem Teil des Gehirns von Owen (Jonah Hill), eines diagnostiziert schizophrenen, depressiven Mannes, der kurz davor steht, in einem Strafprozess als Zeuge zugunsten seines Bruders auszusagen – und von seiner Familie von jeher verlacht wird. Die Agentin heißt im richtigen Leben Annie (Emma Stone) und ihr Trauma wurde durch den tödlichen Unfall ihrer Schwester ausgelöst.

Regisseur Cary Fukunaga, der „Maniac“ ideell vom norwegischen Serienoriginal gleichen Namens adaptierte, gibt sich am Anfang viel Mühe, die Charaktere anständig einzuführen: So sieht man Außenseiter Owen missmutig den väterlichen Geburtstag inklusive Chorgesang ertragen und erlebt seine Avancen gegenüber einer Schwägerin. Annie dagegen trifft ihren Vater, der in einem futuristischen, luftdicht abgeschlossenen Kühlschrankbett in seinem Garten zu leben scheint, ansonsten vegetiert sie in einer heruntergekommenen WG auf dem Sofa und knallt sich mit Tabletten zu.

Zwischen Coney Island und der 20er-Jahre-Party

Die Motivation, die beide in die Arme der Wissenschaftlerriege treibt, ist also sehr unterschiedlich – sie will die Droge, er eine stabilere Psyche. Aufgrund des von einem Computerbug ausgelösten Gleichklangs beider Gehirnströme sehen sich die beiden andauernd in verschiedenen Traum-Settings wieder – mal in den 80ern als Pärchen auf Coney Island, mal in einem „Herr der Ringe“-Elfenwald, mal auf einer burlesken 20er-Jahre-Party.

Doch Fukunaga, dessen Inszenierungen von „True Detective“ viel gelobt wurde und der mit „Beasts of no Nation“ seine politische und mit „Jane Eyre“ auch eine romantische Seite beeindruckend ausspielte, entgleiten nach einem pittoresken, an frühe Lynch-Filme erinnernden Beginn komplett die Zügel des seriellen Psycho-Experiments: Es scheint, als übernehme der Nerd in ihm und vermische statt einer zwingenden Geschichte nur noch Zitate aus anderen Serien, Gags und Knallchargentum – in einem niedlichen, retrofuturistischen Setting. „Als Kind der 60er bin ich mit ,Star Trek' aufgewachsen“, sagt Fukunaga im Interview. „Ich wollte für die Technik in der Serie darum eine Logik, die ich verstehen kann, nichts wirklich Digitales, sondern große Computerscreens mit dicken Knöpfen und Transistoren.“

Die Serie ist ab dem 21. September bei Netflix abrufbar.

Immer höher türmt Fukunaga gemeinsam mit den DrehbuchautorInnen Patrick Somerville und Amelia Gray dabei die surrealen Settings, immer unverständlicher werden die Plots, immer lächerlicher die Side-Gags. Wie egal die Dramaturgie irgendwann geworden ist, zeigt Fukunagas Aussage, die vorletzte, neunte Episode kurzerhand mit der fünften getauscht zu haben. Keiner hat’s gemerkt – weil es wurscht ist, wann in der Geschichte Annie als spitzohrige Ranger-Elfe durch den Wald schlurft, wann Owen als Isländer Snorri aus Versehen einen Außerirdischen kaltmacht oder wann bei einer Mordszene à la Tarrantino literweise Blut an die Wände spritzt.

An Einfällen, so bestätigt der Regisseur, hat es nicht gemangelt: „Über 70 Ideen waren gesammelt – dabei ist gleich, in welcher Welt was spielt, ich kann dieselbe Story als Western oder im 16. Jahrhundert erzählen“. Dass Motivationen und Ziele bei „Maniac“ durch diese Konzentration auf Äußerlichkeiten jedoch schneller verloren gehen, als man „schade“ sagen kann, ist ebendies: schade.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.