„Sesamstraße“ gegen Rassismus: Wer nicht fragt, bleibt dumm
Die US-amerikanische „Sesamstraße“ hat zwei neue Figuren. „Elijah“ und „Wes“ sollen helfen, Kinder über Rassismus aufzuklären.
![Wes und sein Vater Elijah sitzen auf einer Bank - herbstlicher Hintergrund Wes und sein Vater Elijah sitzen auf einer Bank - herbstlicher Hintergrund](https://taz.de/picture/4762834/14/27084725-1.jpeg)
Unter dem Eindruck der jüngsten Rassismus-Debatten hat die weltweit bekannte „Sesamstraße“ zwei neue Handpuppen in ihrem Ensemble vorgestellt. Mitte der Woche sind die neuen Figuren erstmals in Videoclips auf Youtube erschienen. Parallel stellten die Macher*innen ihr neues Projekt auf ihrer Webseite vor. Ziel sei es, Kinder über Rassismus aufzuklären und aktuelle Geschehnisse, wie die „Black Lives Matter“-Bewegung, abzubilden. Bei den neuen Puppen handelt es sich um den schwarzen Vater Elijah und dessen Sohn Wes, die in den Videos unter anderem über unterschiedliche Hautfarben sprechen. „Warum ist die Haut von Wes dunkel?“, fragt „Sesamstraße“-Bewohner Elmo, ein kleines rotes Pelzmonster.
„Ich weiß es, Elmo“, antwortet Wes. „Meine Mami und und mein Papi haben es mir gesagt, das hat mit Melanin zu tun, nicht wahr, Papi?“ – „Das ist richtig. Melanin hat jeder von uns im Körper. Es gibt unserem Körper außen seine Farbe. Es gibt auch unseren Augen und unserem Haar die Farbe“, antwortet Vater Elijah.
Empfohlener externer Inhalt
Seit 1969 ist die Sesamstraße eine Institution im Bildungsfernsehen der USA. Inzwischen ist sie außerdem in mehr als 150 Ländern zu sehen. In Deutschland läuft die Sendung seit 1973 – mit Unterbrechungen und immer mal wieder mit neuem Konzept. Sie richtet sich an Kinder im Vorschulalter und soll ihnen auf spielerische Art Wissen vermitteln – Alphabet und Einmaleins, wissenschaftliche Zusammenhänge, aber auch Alltagsfragen.
Dabei spielte gesellschaftliche Vielfalt und Politik schon immer eine Rolle. 2013 stellte die US-Version eine Puppe namens Alex vor, deren Vater im Gefängnis sitzt. 2017 war dort erstmals die Puppe Julia, eine Figur aus dem autistischen Spektrum, zu sehen. In der südafrikanischen Variante gibt es mit „Kami“ eine Figur, die durch eine Bluttransfusion mit HIV infiziert wurde.
„Kinder sind nicht farbenblind“
Die „Sesamstraße“ richtete sich nie einfach nur an die Mittelschicht, sondern immer vornehmlich an sozial schwächere Familien. Als fiktive Straße in der Großstadt, mit rauchenden Gullys und scheppernden Mülltonnen. Auf den Treppen vor den Häusern spielen Kinder und lassen sich, mal von Puppen, mal von den Erwachsenen, die Welt erklären. Neben Afroamerikanern leben in der fiktiven Straße Hispanics, Asiaten und Amerikaner mit weißer Hautfarbe.
„Kinder sind nicht farbenblind. Sie bemerken als Kleinkinder schon Unterschiede in der Hautfarbe und entwickeln auch sehr früh ein Identitätsgefühl“, erklärt Jeanett Betancourt, Leiterin des „Sesame Workshop“ in New York, der die „Sesamstraße“ produziert, in einem Beitrag auf ihrer Webseite. „Indem wir zu den notwendigen Gesprächen ermutigen, können wir Kindern helfen, ein positives Selbstwertgefühl zu entwickeln und die Identität anderer zu wertschätzen.“ Es sollen demnächst auch Figuren hispanischer Herkunft vorgestellt werden.
Schon in den letzten zwei Jahren hatte die Sesamstraßen-Familie Zuwachs bekommen: Basma, Jad und Ma'zooza hießen die neuen Puppen, die Flüchtlingskinder im Nahen Osten besuchten. Die drei neuen Figuren sprechen Arabisch und widmen sich spielerisch dem Thema Trauma. „Sesame Workshop“ hat in Zusammenarbeit mit dem International Rescue Committee (IRC) mehrere Folgen einer Staffel im Nahen Osten produziert.
Später wurden auch noch die Zwillinge Noor und Aziz entwickelt, für eine spezielle Ausgabe auf YouTube, die sich an Kinder der Volksgruppe der Rohingya aus Myanmar richtet. Die Puppen sind dieser Volksgruppe nachempfunden. Damit sollen die Kinder, die kaum Zugang zum Bildungssystem haben und deren Familien vor Militärgewalt im Nachbarland Myanmar geflohen sind, zum Beispiel Mathematik lernen.
Und in Deutschland? Hierzulande wurden bislang noch keine allzu heiklen Themen behandelt. Aber warum sollte Ernie nicht freitags streiken gehen und sich impfen lassen? Während Bert sich vorbereitet, das Bundesamt für Verfassungsschutz zu übernehmen um hier und da mal ein Machtwort zu sprechen. Währenddessen würde die Schnecke Finchen erklären, dass ein Tempolimit von 120 km/h für alle das Beste wäre und Grobi würde ganz ausversehen alle Atomkraftwerke gleichzeitig vom Netz nehmen. Rumpel steckt derweil in Schwierigkeiten, denn er wollte über Schwangerschaftsabbrüche aufklären und hat jetzt dafür eine Anzeige am Hals.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Trump macht Selenskyj für Andauern des Kriegs verantwortlich
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links