Serie „The Studio“: Erbsenzähler der Kunst
„The Studio“ ist eine bitterböse Satire auf Hollywood und Kommerz statt Anspruch. Die Erzählweise ist etwas zu krawallig, aber die Figuren sind toll.
Eigentlich will Matt Remnick (Seth Rogen) Künstler sein, aber als neuer Boss der fiktiven Continental-Studios in Hollywood muss er vor allem auf Produktionsbudgets und Gewinnmargen achten. Er solle „movies“ produzieren, beschwört ihn aggressiv der stinkreiche Eigentümer von Continental, Griffin Mill (Bryan Cranson), und keine „films“, womit er abwertend die künstlerisch wertvolle Independentsparte meint.
Die zehnteilige Serie „The Studio“ ist eine bitterböse Satire auf die Filmindustrie Hollywoods, die sich stets als Aushängeschild der Kunst und des kulturell bedeutenden Kinofilms abfeiert, in erster Linie aber Umsatz machen will. „Du bist kein Künstler, sondern Erbsenzähler“, sagt ein anderer Studioboss zu Matt Remnick, der sich trotzdem ganz naiv einbildet, den Spagat zwischen Kommerz und Kunst hinzubekommen, damit aber komplett baden geht.
Nachdem HBO schon vergangenes Jahr mit „The Franchise“ eine ganz ähnliche Comedyserie über die Filmindustrie ablieferte und Netflix mit „The Bubble“ (2022) sehr simpel und krawallig über die Superhelden-Filme herzog, liefert Apple TV+ jetzt eine vergleichsweise hochkarätige Comedyserie, bei der gefühlt halb Hollywood mitspielt.
Als Matt Remnick einen Multi-Millionen-Dollar-Franchise-Film mit dem Getränk Kool-Aid machen soll und Martin Scorsese zufällig einen Film drehen will, in dem das Getränk vorkommt, glaubt Matt, den heiligen Gral für seinen Spagat gefunden zu haben. Aber es endet damit, dass er für 10 Millionen Dollar Scorsese das Skript abkauft und dessen anspruchsvollen Film in die Tonne tritt. Natürlich will er das gar nicht, aber die Geschäftsdynamik zwingt ihn dazu. Martin Scorsese bricht daraufhin bei einer Hollywoodparty in Tränen aus und Gastgeberin Charlize Theron schmeißt Remnick hochkant raus.
Filmpreise und Rassismus
Bei anderer Gelegenheit versaut Matt Remnick einen Drehtag von Regisseurin Sarah Polley, er bricht in den Wohnwagen von Zac Efron ein, weil er glaubt, dass der eine Filmrolle gestohlen hat und Regisseur-Legende Ron Howard erklärt er, dass sein künstlerischer neuer Film totaler Müll sei. Eigentlich gibt es kaum eine Hollywoodgröße, die Remnick nicht gegen sich aufbringt. Den Vogel schießt er ab, als er vor einer großen Gala in Las Vegas halluzinogene Schokokekse aufs Buffet legt und die Continental-Stars, unter anderem Zoe Kravitz, völlig ausrasten.
Auch „The Studio“ verliert sich immer wieder in einer etwas zu krawalligen Erzählweise, entwickelt aber tolle Figuren, die um Matt Remnick herum als Team agieren, unter anderem Kathryn Hahn als aggressive Werbemanagerin und Catherine O’Hara als geschasste Studiobossin, die plötzlich als Produzentin auf die Kreativseite wechselt und sich mit Matt Remnick einen fortwährenden Kleinkrieg liefert.
Es geht natürlich auch um Filmpreise wie den Golden Globe, um Rassismus in der Filmindustrie und den Einfluss von künstlicher Intelligenz auf Produktionsvorgänge. Ein bisschen vermittelt die Serie den Eindruck, als wären die Zuschauer die ganze Zeit mit dabei hinter den Kulissen, wo es viel chaotischer und improvisierter zugeht, als man das bei einer Multi-Millionen-Dollar-Industrie vermuten würde.
Aber letztlich ist der in Mark Remnick schlummernde Konflikt zwischen Kunst und Kommerz das eigentliche, nie ganz auflösbare Spannungsfeld, in dem sich diese Geschichte abspielt: die Kunst einzuhegen, profitabel zu machen und zur Not rücksichtlos zu zerstören.
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