Serie „Somebody Somewhere“ bei Sky: Wenn die Träume geplatzt sind
Die Sky-Serie „Somebody Somewhere“ erzählt von Einsamkeit und der Suche nach Heimat. Dabei geht es liebevoll komisch zu.
„Eigentlich weiß ich gar nicht, wo ich hier hin gehöre.“ Nur weil man zu Hause ist, bedeutet das nicht, dass man auch seinen Platz gefunden hat. Diese Erkenntnis machte Sam (Bridget Everett) bereits als Jugendliche, und nun, wo sie in der fantastischen neuen Tragikomödien-Serie „Somebody Somewhere“ (seit dem 7.4. zu sehen bei Sky) auf die 50 zugeht, hat sich daran nichts geändert.
Die eher trostlose Kleinstadt Manhattan, die im US-Bundesstaat Kansas immerhin eine der zehn größten ist, hatte Sam eigentlich längst hinter sich gelassen, kehrte dann allerdings zurück, um ihre sterbende Schwester zu pflegen. Nun ist Holly tot und Sam hängt fest. In den alten, festgefahrenen Familienstrukturen zwischen ihrem Vater (Mike Hagerty), der kaum noch seine Farm am Laufen halten kann, der trinkenden Mutter (Jane Drake Brody) und ihrer religiösen Schwester Tricia (Mary Catherine Garrison), die mit ihrem Bilderbuch-Alltag aus Ehemann, Tochter und eigenem kleinen Laden auf Sams Ziellosigkeit herabblickt.
„Somebody Somewhere“,
7 Folgen, seit dem 7. April
auf Sky
In Hollys Haus, wo sie noch immer bloß auf der Couch schläft und ihre Wochenenden mit zu viel Wein vor dem Fernseher verbringt. Und in einem tristen Bürojob bei einer jener Firmen, an die amerikanische Bildungseinrichtungen das Korrigieren von Aufsätzen auslagern.
Immerhin begegnet Sam bei der Arbeit ihrem früheren Mitschüler Joel (Jeff Hiller) wieder, der sich an sie aus dem High School-Chor erinnert. Durch ihn, der auf den ersten Blick viel zu aufgeräumt und dauerfröhlich für ihren Geschmack wirkt, erhält sie Zugang zu einer Art geheimen Community, die zum Rettungsanker werden könnte. Denn Joel veranstaltet in einem Kirchenraum zwanglose Lieder- und Varieté-Abende, die ein heimliches Sammelbecken sind nicht nur für queere Menschen wie ihn, sondern auch für alle anderen, die – in der biederen Provinz genauso wie im Leben allgemein – auf der Suche nach einem inneren Zuhause sind. So wie Sam, die auf diesem Weg nicht zuletzt daran erinnert wird, wie viel ihr Musik und das Singen bedeuten.
Ganz ohne Zynismus
Dass Midlife-Krisen kein ausschließliches Männer-Phänomen sind, sollte eigentlich keine neue Erkenntnis sein, und doch ist eine Geschichte wie die von „Somebody Somewhere“ in der Film- und Fernsehlandschaft eine ziemliche Ausnahme. Und was für eine! Die siebenteilige Serie, produziert u.a. von den Duplass-Brüdern und zum Glück bereits um eine zweite Staffel verlängert, gehört zum besten, was es in den letzten Jahren zu sehen gab. Selten wurde so liebevoll, einfühlsam, melancholisch und wunderbar komisch von Einsamkeit, der Suche nach heimatlichem Halt und den Enttäuschungen des Lebens erzählt. Ohne dabei in Zynismus oder Hoffnungslosigkeit zu versinken, wohlgemerkt.
Und was wahrhaftige, komplexe und ungemein einnehmende Frauenfiguren angeht, spielt Sam ab sofort in der gleichen Liga wie ihre von Pamela Adlon verkörperte Namensvetterin in der ebenso fantastischen Serie „Better Things“, die als dreifache Mutter, in Los Angeles lebend und im Showgeschäft tätig, ein interessantes Spiegelbild darstellt.
Zum Ereignis werden Sam und „Somebody Somewhere“ nicht zuletzt dank der Hauptdarstellerin. Bridget Everett steht seit Jahren auf New Yorker Kleinkunst-Bühnen, wurde von Amy Schumer und Lena Dunham gefördert und war bereits in Serien wie „Lady Dynamite“ zu sehen, trotzdem ist sie noch immer das bestgehütete Geheimnis der US-Comedy-Szene.
Der erste Versuch einer eigenen Serie scheiterte vor einigen Jahren nach der Pilotepisode, nun haben ihr die New Yorker Theaterschaffenden Hannah Bos und Paul Thureen „Somebody Somewhere“ auf den Leib geschrieben. Biografische Bezüge inklusive: Everett statt tatsächlich aus Manhattan, Kansas; mit dem Song „Piece of My Heart“, den sie in der dritten Folge singt, war sie auch schon bei Jimmy Fallon zu Gast.
Die deftige Vulgarität, die Everett in ihren Programmen oft an den Tag legt, ist hier auf ein Minimum heruntergeschraubt, stattdessen beweist sie wundervolles Feingefühl in der Darstellung einer Frau, deren Weg von geplatzten Träumen und Verletzungen geprägt ist. Dass daneben aber auch genug Raum bleibt für all die anderen Figuren um sie herum, auf die und deren Milieu „Somebody Somewhere“ nie herabblickt, macht die Serie nur noch sehenswerter.
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