Serie „Nur für Erwachsene“ in der ARD: Wie bei McDonald’s

Bei der britischen Serie „Nur für Erwachsene“ liegen die Sympathien ganz bei der Hauptfigur: einer Pornodarstellerin.

Szene aus einer Fernsehserie.

Hayley Squires als Pornodarstellerin in der Serie „Nur für Erwachsene“ Foto: ndemol Shine UK/Fifty Fathoms/ard/dpa

„Ich arbeite in der weltweit einzigen Branche, in der Frauen mehr verdienen als Männer. Ich bin selbständig tätig. Und ich bin trotzdem abends zuhause, um meinen Kindern das Abendessen zu kochen.“ Trotzdem muss Hayley Burrows, Künstlername: Jolene Dollar, sich rechtfertigen für das, was sie seit 15 Jahren tut, um den Lebensunterhalt für ihre Familie zu bestreiten. Weil die eingebildete Rektorin der Privatschule offenbar ihre Tochter Phoebe (Alex Jarrett) für etwas bestrafen will, für das sie die Mutter verachtet. Und nicht etwa Phoebes Mitschüler, die unbedingt eine Silikon-Nachbildung von der Vagina der Mutter mit in die Schule bringen mussten.

Die weltweit einzige Branche, in der Frauen mehr verdienen als Männer, ist die Porno-Branche. Die Gespräche mit den Kollegen drehen sich um Baugenehmigungen, die Gedanken schweifen ab in Richtung Wäschewaschen und Hackfleisch – falsche Wimpern und Botox, ansonsten ein Job wie jeder andere, nur eben besser bezahlt, könnte man meinen. Schön wär’s.

Hayley fühlt sich verantwortlich für Amy (Siena Kelly), die, kaum älter als Phoebe, gleich an ihrem ersten Tag am Set eine Szene der härteren Sorte drehen soll: „Wenn du es wirklich machst, dann musst du zusehen, dass du so viel Geld wie möglich kriegst. Denn das kriegst du nie wieder. Und wenn du es machst, dann war’s das. Wie bei McDonald's. Wenn es einmal auf der Karte steht, dann bleibt es da.“

Filme übers Pornofilmen sind nichts Neues: Von Paul Thomas Andersons „Boogie Nights“ über Sean Bakers „Starlet“ bis zu George Pelecanos' und David Simons Serien-Epos „The Deuce“ war es für etablierte Schauspielgrößen – wie Julianne Moore, James Franco, Maggie Gyllenhaal – interessant, sich Menschen aus der Branche anzuverwandeln. Tabus gibt es da keine mehr zu brechen.

„Nur für Erwachsene“, vier Episoden, 0:45 Uhr, ARD

Hayley Burrows wird gespielt von Hayley Squires, die bekannt geworden ist mit dem Film „I, Daniel Blake“, in der Rolle der alleinerziehenden, obdachlosen Katie, die sich schließlich prostituiert, um ihre zwei Kinder durchzubringen. Eine typische Regiearbeit des Engländers Ken Loach, ganz in der Tradition des britischen Kitchen Sink Realism, Anklage gegen ein ungerechtes Klassen- und ein unerbittliches Sozialsystem – Goldene Palme in Cannes, Preise und Nominierungen auch für Hayley Squires. Und auch für ihre Rolle in „Nur für Erwachsene“ (im britischen Original: „Adult Material“) wurde sie bereits mit einem International Emmy-Award ausgezeichnet.

Heldinnen sind Frauen aus der Arbeiterklasse

Der Vierteiler lässt keinen Zweifel, in welche Traditionslinie sich die Macherinnen (Buch: Lucy Kirkwood; Regie: Dawn Shadforth) da einzureihen gedenken. Zwar ist Dawn Shadforth bisher praktisch ausschließlich als Regisseurin von Musikvideos – von Kylie Minogue, Björk oder Goldfrapp – in Erscheinung getreten. Ihr Promo-Film zur Oasis-Single „The Importance of Being Idle“ war aber bereits eine eindeutige Hommage ans Kitchen-Sink-Genre. Kirkwoods und Shadforths Sympathien gelten: den Frauen aus der Arbeiterklasse.

Nicht nur die eingebildete Schulrektorin, auch die kaum weniger eingebildete, akademisch gebildete Pornographie-Gegnerin („Porno ist ein Angriff auf die Realität, es ist nicht echt!“) wird in all ihrer Dünkelhaftigkeit vorgeführt, wenn es aus der in der Talk-Show neben ihr platzierten Jolene herausbricht: „Was meinen Sie mit,nicht echt'? Ich bin echt! Das können Sie mir glauben! Ich bin echt. Ich bin ein echter Mensch.“

Und ein kaum wiederzuerkennender Rupert Everett gibt einen zynischen Porno-Produzenten in weißen Gucci-Schühchen, den selbst dann nur die Sorge um sein Geschäft umtreibt, als am Ende von Folge eins ein für seine brutalen Vorlieben berüchtigter Darsteller mit einer Stichwunde im Bauch bei ihm auf dem Küchentisch liegt. So hatte der sich das bei der Auswahl seines Pseudonyms – Tom Pain – eigentlich nicht gedacht. Okay: Diesen Humor hätte ein Ken Loach sich niemals gestattet.

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